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Gute Mitarbeiter haben auch gute Alternativen

17.11.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Seit den 1990er Jahren hat man die Arbeitsbedingungen im ÖPNV verschlechtert. War es vor dreißig Jahren noch üblich, dass ein Bus- oder Straßenbahnfahrer nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes bezahlt wurde, änderte sich das. Es wurde der Tarifvertrag Nahverkehr eingeführt, ein reiner Absenkungstarifvertrag. Diese Entwicklung ist mit der Entgeltgruppe 5a noch einmal fortgeschrieben worden.

Natürlich hatte das damit zu tun, dass man Ausschreibungswettbewerbe befürchtet hat und sich marktnah aufstellen musste. Wenn die eigenen Subunternehmen deutlich weniger zahlen, dann kann auch die Gebietskörperschaft gleich diesen beauftragen und nicht mehr das eigene Unternehmen. Auf der anderen Seite ging man stets davon aus, dass die Mitarbeiter unter allen Umständen auf den Job bei den Eisenbahn- oder ÖPNV-Unternehmen angewiesen sind.

Dass es die Regel ist, wenn jemand mit 16 in den Genuss einer Ausbildung bei der KVB kommt, dass dieser bis zur Rente bleibt. Natürlich mit der Option, entweder bis zum letzten Tag die Straßenbahn zu fahren oder aber auch erhebliche Aufstiegschancen zu haben. Schlechte Arbeitgeber sind die Verkehrsunternehmen definitiv nicht, aber auch andere stellen sich gut auf und locken neue Mitarbeiter an.

Neben der demographischen Entwicklung haben wir auch auf dem Arbeitsmarkt eine Situation, in der viele Arbeitnehmer eben nicht mehr zwingend darauf angewiesen sind, ihren jetzigen Job zu behalten, sondern sie können sich umorientieren und anderweitig einsteigen. Hier müsste man auch mal über eine andere Sache reden: Wielange bleiben denn die hochgelobten Quereinsteiger im Betrieb und wann werden sie zu Queraussteigern? Jemand wird in einigen Monaten zum Straßenbahnfahrer umgeschult, verlässt das Unternehmen dann aber vielleicht nach drei Monaten oder zwei Jahren wieder.

Einige Unternehmen im Eisenbahnbereich haben hierfür die optionale Möglichkeit einer verlängerten Kündigungsfrist angeboten: Wer bereit ist, die Kündigungsfrist im Falle eines Ausscheidens aus dem Unternehmen über das gesetzliche Maß zu verlängern, erhält dauerhaft mehr Gehalt. Das wäre eine Option auch für andere Unternehmen. Aber auch die Ausbildung muss intensiviert werden.

Gerade im Eisenbahnwesen hat man in den 2000er Jahren gedacht, dass man dauerhaft seine offenen Stellen mit Langzeitarbeitslosen besetzen kann, deren Ausbildung durch die Sozialleistungsträger finanziert werden. Auch die in dieser Zeit nicht auskömmlich finanzierten Aufgabenträger haben aus ihrer Not heraus genau solche Modelle favorisiert.

Inzwischen jedoch gibt es kaum noch geeignete Arbeitslose und falls doch, dann haben die Sozialleistungsträger keine freien Budgets, um solche Ausbildungen zu finanzieren. Deshalb ist es wichtig, dass man in der gesamten Branche ein Konzept zum Personalaufbau, aber auch zur weiteren Digitalisierung auf die Beine zu stellen. Denn die Eisenbahnkrise der Gegenwart kann man nicht schnell, sondern nur mühsam, dafür aber nachhaltig lösen. Dafür ist es jetzt Zeit.

Siehe auch: KVB startet neue Personalkampagne
Foto: Kölner Verkehrs-Betriebe AG

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