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Verbände legen Reaktivierungsvorschläge vor

04.10.22 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und die Allianz pro Schiene fordern, stillgelegte Eisenbahnstrecken schneller wieder ans Netz zu nehmen und sowohl für den Personen-, als auch für den Güterverkehr zu nutzen. Andernfalls werde die Verkehrswende nicht gelingen, erklärten die Verbände letzte Woche bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin, bei der sie die dritte Auflage der VDV-Broschüre mit einer aktualisierten und erweiterten bundesweiten Liste von zu reaktivierenden Schienenstrecken vorstellten.

Sie forderten zudem, auch die Reaktivierung von Streckenabschnitten für den Güterverkehr zu fördern und im Haushalt dafür ein eigenes Finanzierungsprogramm aufzulegen. Die Präsentation fand am Vortag des VDV Reaktivierungskongresses in Berlin statt. Insbesondere die von den beiden Verbänden so beschriebene „Begeisterung für das Neun-Euro-Ticket im Sommer“ habe gezeigt, dass Bürger vor allem in den gut erschlossenen Regionen stark vom ÖPNV profitieren könnten.

Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene: „Die Bereitschaft, die Schiene zu nutzen, ist da – und das Potenzial für mehr Schienenverkehr enorm. Die Menschen erwarten mit Recht einen zügigen Ausbau – auch da, wo es heute keinen Anschluss an die Schiene gibt.“ Mit der Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken könne man in der Fläche den Rückzug der vergangenen Jahrzehnte korrigieren und umdrehen.

Martin Henke, VDV-Geschäftsführer Eisenbahn, verwies darauf, dass man erst am Anfang stehe: „Seit der Erstauflage der VDV-Reaktivierungsliste und der enormen öffentlichen und politischen Aufmerksamkeit, die das Thema erregt, haben sich die Rahmenbedingungen für ein Wiederbeleben von Strecken deutlich verbessert. Immerhin vier Strecken mit 66 Kilometer Länge konnten bislang reaktiviert werden. Doch von den 277 Strecken mit insgesamt 4.573 Kilometern Länge sind zwischenzeitlich vierzig weitere bzw. 557 Kilometer hinzugekommen. In praktisch allen Regionen Deutschlands gibt es Reaktivierungspotenzial.“

In der VDV-Broschüre werden 332 Städte und Gemeinden gelistet, die durch die vorgeschlagenen Reaktivierungen wieder Anschluss an das Bahnnetz erhalten könnten. Insgesamt 3,4 Millionen Einwohner sind betroffen. Die Verbände erkennen an, dass der Bund die Finanzierungsmöglichkeiten für Reaktivierungen deutlich verbessert hat und begrüßen die attraktiveren Rahmenbedingungen.

Martin Henke: „Der Bund hat bei der GVFG-Novellierung in der letzten Legislaturperiode einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, den Reaktivierungsprojekten im Land neuen Schwung zu verleihen und er fördert diese mit neunzig Prozent der Kosten. Auch die modernisierte Ermittlung der Wirtschaftlichkeit im Rahmen der Standardisierten Bewertung zum 1. Juli 2022 erleichtert Reaktivierungen.“

Allerdings gibt es immer noch großen Handlungsbedarf. Nun müsse dringend auch der Güterverkehr stärker in die Reaktivierung des Streckennetzes einbezogen werden – mit eigenem Budget. „Für die Reaktivierung reiner Güterstrecken, die Fabriken über dezentrale Güterverkehrszentren und Speditionsterminals bis hin zu dringend benötigten Ladestraßen in der Fläche anschließen, gibt es bislang keinen eigenen Haushaltstitel beim Bund, der auch entsprechend ausgestattet ist und über alle Bahnen, unabhängig vom Infrastrukturunternehmen, angelegt ist“, so Martin Henke.

Dirk Flege forderte zudem, dass die Entwidmung stillgelegter Eisenbahntrassen – etwa um diese zu überbauen – gestoppt werden muss: „Wir müssen diese ungenutzten Trassen unbedingt sichern für künftige Reaktivierungen. Wenn auch nur punktuell ein Streckenabschnitt verbaut wird, dann ist der Verkehrsweg zerschnitten und die Chance auf eine Reaktivierung verloren. Wir brauchen dringend ein Moratorium bei der Entwidmung von Schienenstrecken.“

Seit der Eisenbahnreform am 1. Januar 1994 unterscheidet der Gesetzgeber zwischen einer Stilllegung und einer Entwidmung. Wenn eine Eisenbahnstrecke durch das Eisenbahnbundesamt auf Antrag des Infrastrukturunternehmens (z.B. DB Netz) stillgelegt wird, dann bleibt das Gelände zunächst gewidmetes Eisenbahnland.

Eine Wiederinbetriebnahme kann erfolgen ohne dass ein neuer Planfeststellungsbeschluss notwendig würde. Die Entwidmung ist ein separater Vorgang, der erfolgen kann, sobald eine Eisenbahnstrecke einmal stillgelegt ist. Allerdings kann die Entwidmung durchaus taggleich erfolgen. Für die Entwidmung vom Eisenbahnland ist allein das Eisenbahnbundesamt zuständig.

Siehe auch: Die Voraussetzungen für den Erhalt schaffen

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