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Die neue Staatseisenbahn im Ländle

05.09.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Lassen Sie mal den verkehrlichen Nutzen einer S-Bahnverlängerung in Stuttgart außen vor, das wird schon gutachterlich sauber ausgearbeitet worden sein. Ist Ihnen was anderes aufgefallen? Genau, Bauherr und späterer Infrastrukturbetreiber dieser nach EBO und nicht BOStrab zugelassenen Anlage wird nicht das Bundesunternehmen DB Netz sein, sondern die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB AG).

Natürlich gibt es auch heute schon im SPNV genutzte Streckenabschnitte, die nicht durch die DB Netz AG bewirtschaftet werden, gerade solche Anlagen, die nicht selten traditionsreichen NE-Bahnen gehören, die schon in der alten Bundesbahnzeit ihre Daseinsberechtigung hatten. Aber was wir hier erleben ist eine eisenbahnpolitische Neuheit, die im Ländle passiert ohne dass es groß zur Kenntnis genommen wird.

Man macht die Infrastruktur einfach selbst, man wartet nicht mehr auf das Bundesunternehmen und setzt sich auch bei der zukünftigen Infrastrukturqualität nicht mehr dem Gutdünken der DB AG aus. Denn seien wir ehrlich: DB Netz war nie für irgendjemanden ein loyaler oder zuverlässiger Geschäftspartner und ist es bis heute nicht. Natürlich wird aus der DB AG oder deren Vorfeldorganisationen heraus gepredigt, dass das alles alte Kamellen seien, „unter Mehdorn“ seien die Dinge eskaliert, aber jetzt ist alles gut.

Im wesentlichen sind das aber gezielt agierende Leute, die nicht wollen, dass z.B. ein Aufgabenträger die Trassenpreise pönalisieren kann, wenn über Jahre hinweg eine Langsamfahrstelle Chaos in den Fahrplan bringt. Denn bis heute hat kein Aufgabenträger und auch kein Verkehrsunternehmen eine Handhabe, wenn z.B. an einem Haltepunkt mal zwei Jahre die Bahnhofsuhr kaputt ist oder der Aufzug ein Jahr nicht funktioniert.

Wenn die Tür des Zuges gesperrt ist, dann sinkt im Rahmen der allgemeinen Pönalisierung das Entgelt für den Zugkilometer, aber die Infrastrukturunternehmen der DB AG können ihre eigenen Anlagewerte verkommen lassen ohne dass irgendwer sich dagegen wehren kann. Das Beispiel Müngstener Brücke, die über mehrere Jahre hinweg gesperrt war und wo DB Netz den zuständigen Aufgabenträger VRR im Vorfeld über Jahre hinweg dreist belogen hat, sticht zwar heraus, aber an der Grundproblematik hat sich nichts geändert.

Und da reagiert man jetzt in Baden-Württemberg und verzichtet auf die Projektteilnahme eines Partners, der mehrfach unter Beweis gestellt hat, dass er keiner ist. So macht es ein kommunales Unternehmen – eine Staatseisenbahn, die man durch den Staat steuern kann, in dem Fall durch das Land Baden-Württemberg.

Denn dass der Bund an seinem Bundesunternehmen DB AG nur geringes Interesse hat, ist keine Neuigkeit, sondern ebenfalls seit Jahrzehnten erkennbar. Man hat also mit der SWEG ein landeseigenes Eisenbahnverkehrsunternehmen gestärkt und am Markt positioniert, jetzt kommt ein kommunales Eisenbahninfrastrukturunternehmen hinzu. Das ist genau die Staatseisenbahn im eigentlichen Sinne – ohne sich in die Abhängigkeit der DB AG zu begeben.

Siehe auch: Stuttgart: S-Bahnverlängerung auf den Fildern
Foto: Land Baden-Württemberg

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