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VDV evaluiert Neun-Euro-Ticket und fordert Nachfolgekonzept

18.07.22 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Die bundesweite Marktforschung des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und der Deutschen Bahn AG im Auftrag von Bund und Ländern zum Neun-Euro-Ticket bestätigt nach Ablauf des ersten Monats des Aktionszeitraumes erste Trendaussagen und lässt nun zahlengestützte und repräsentative Rückschlüsse zur Nutzung, Verkehrsverlagerung und auch -induzierung zu.

„Nachfrage, Bekanntheit und Attraktivität des Neun-Euro-Tickets sind ungebrochen hoch, wir verzeichnen überall vollere Busse und Bahnen. Sehr erfreulich ist auch, dass ein Fünftel der Käuferinnen und Käufer angibt, dass es den ÖPNV zuvor normalerweise nicht genutzt hat. Dabei wären sechs Prozent der Fahrten ohne das Neun-Euro-Ticket mit einem anderen Verkehrsmittel außerhalb des ÖPNV unternommen worden, davon gut die Hälfte mit dem Auto“, so VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff.

„Gut jede vierte aller Fahrten mit dem Neun-Euro-Ticket, einschließlich der Fahrten der Abo-Kundinnen und -kunden, wäre ohne das Ticket von vornherein gar nicht unternommen worden. Diese deutliche Erhöhung der Nachfrage ist mit Blick auf den Klimaschutz und die Belastungen des Systems kritisch zu hinterfragen. Und es gilt weiterhin, dass eingedenk der steigenden Preise zum Beispiel für Kraftstoffe, Energie und Personal die Situation für immer mehr Unternehmen schwieriger wird. Wir brauchen daher immer drängender Lösungen zur Kompensation dieses Anstiegs, sonst drohen deutliche Tarifsteigerungen oder gar, dass erste ÖPNV-Linienangebote eingeschränkt werden müssen. Hier ist die Politik gefordert, kurzfristig zu entscheiden, wie sich das Angebot für die Menschen nach dem Neun-Euro-Ticket gestalten soll.“

31 Prozent der Käufer des Neun-Euro-Tickets und 21 Prozent der Abonnenten geben an, dass ihre Fahrten zumindest teilweise außerhalb des eigenen Verbundraums beziehungsweise Gültigkeitsbereichs erfolgt sind. „Die Branche hat weitgehend ihren gesamten Fuhrpark einschließlich der Reserven auf die Schiene und die Straße gebracht, damit die Nutzerinnen und Nutzer möglichst viel Kapazitäten vorfinden. Darum freuen wir uns über die hohe Zufriedenheitswerte bei den Angaben zur letzten Fahrt“, so Wolff.

88 Prozent der Befragten sind mit der letzten Fahrt zufrieden, jeder und jede fünfte ist sogar vollkommen zufrieden. Für 69 Prozent der Befragten ist das Ticket in seinen Bedingungen einfach verständlich. Für etwa zwei Drittel ist es eine gute Möglichkeit, den ÖPNV auszuprobieren. Beispiellos sind die Werte für die Bekanntheit des Angebotes: Mit fast 98 Prozent kennt fast jeder Befragte das Neun-Euro-Ticket, zwei Drittel kennt es sogar gut. 27 Prozent geben an, ein Ticket für Juni gekauft zu haben, 21 Prozent der Befragten berichten, ein bestehendes Abo als Neun-Euro-Ticket zu nutzen. Damit lag in der letzten Juniwoche der Anteil an Ticket-Besitzern unter den Befragten bei 48 Prozent.

VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff: „Hochgerechnet auf die Bevölkerung ergeben sich aus der Befragung somit mindestens dreißig Millionen Personen, die im Monat Juni ein Neun-Euro-Ticket – einschließlich der Abos – besessen haben. Dieser gemeinsame Erfolg aus Politik und Branche erhöht jedoch auch den Druck mit Blick auf die Zeit danach – sowohl, was die Preise, vor allem aber was die Leistungskosten angeht.“ Auch hier hat man sich beim VDV festgelegt und fordert als Nachfolgemodell ein 69-Euro-Ticket, das bundesweit im Regionalverkehr gültig sein soll.

Wolff: „Die Entwicklung und Dynamik, die das Neun-Euro-Ticket genommen hat, hat mit der bundesweiten Ticketgültigkeit und dem Umstand, dass 48 Prozent der Bürgerinnen und Bürger ein solches Ticket in der Tasche haben, eine Situation geschaffen, hinter der wir nicht mehr zurückgehen können, zumal die Beweggründe – Entlastung der Bürgerinnen und Bürger zu Gunsten einer klimafreundlichen Mobilität – mehr denn je bestehen. Allen Entscheidungsträgerinnen und -trägern war von Anfang an klar, dass der Signalpreis von neun Euro nicht länger als drei Monate finanzierbar sein wird – auch angesichts der stark gestiegenen Energie-, Personal- und Materialkosten bei den Verkehrsunternehmen.“

Oliver Wolff: „Die Branche ist in der Lage, ab dem 1. September ein solches Klimaticket anzubieten. Dafür brauchten wir allerdings sehr schnell den entsprechenden Auftrag seitens der Politik. In einem zweiten Schritt für den 1. Januar 2023 könnten dann zum Beispiel sozialpolitisch wünschenswerte Varianten vorbereitet werden.“

Siehe auch: Organische Fortsetzungen schaffen

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