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Die #starkeSchiene mit Leben füllen

04.07.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Wir sprechen alle über vereinfachte Planungsverfahren und wenn wir die Eisenbahn wirklich stärken wollen, dann muss man es auch schaffen, in zumindest einer Legislaturperiode größere Baumaßnahmen zu planen und umzusetzen. Das Problem der letzten Jahre und Jahrzehnte ist allerdings, dass die großen Maßnahmen nicht vorankommen, sondern immer nur teurer werden.

Das betrifft das Konzept Rhein-Ruhr-Express ebenso wie Stuttgart 21 oder die zweite Stammstrecke der S-Bahn in München. Dabei soll zunächst einmal nicht darüber diskutiert werden, wie diese Projekte als solche zu bewerten sind. Was man aus der Sicht des Zuschauers erlebt ist ein Nichtvorankommen bei den Projekten, bei denen die Schiene als solche auf sich aufmerksam macht.

Und dann ist da noch ein zweiter Punkt: Wie gut ist das Bundesunternehmen DB Netz denn auf zu erwartende Engpässe bei der Versorgung mit Bau- und Rohstoffen vorbereitet? Überall auf der Welt stauen sich die Containerschiffe vor den großen Häfen, in der Nordsee ebenso wie vor chinesischen Häfen. Die Preise für Baustoffe sind in den letzten Monaten massiv gestiegen und wir wissen nicht, welche Preisschocks oder nicht mehr funktionierende Lieferwege wir noch vor uns haben, wenn sich der Krieg in der Ukraine ausweitet oder im Herbst wegen steigender Coronazahlen wieder ganze Häfen in den Lockdown gehen.

Hierüber müsste die Politik eigentlich jetzt sprechen und klare Konzepte verlangen, die das Bundesunternehmen DB Netz aufzustellen hat, um sich auf Versorgungsmängel einzustellen. Denn die absolute Superkatastrophe wäre ja, wenn man eine Baustelle anfängt und die dann auf unbestimmte Zeit ruht, weil man einzelne Baumaterialien nicht mehr herankommt. Wie gehen wir also damit um? Ich hoffe inständig, dass die von der Ampelkoalition jetzt eingerichtete Beschleunigungskommission Schiene diese Thematik auf dem Schirm hat.

Denn es ist ja grundsätzlich richtig, dass man die Verkehrsinfrastruktur nicht auf Rendite betreibt, sondern dass man hier gemeinwirtschaftliche Interessen verfolgt: Nicht die Rendite für einen bundeseigenen Konzern ist das Ziel, sondern eine möglichst gute Eisenbahninfrastruktur für alle Kunden: Solche Eisenbahnunternehmen in öffentlicher, aber auch solche in privater Hand. Der Güterverkehr muss seinen Platz ebenso finden wie der Personenverkehr und hierfür braucht man eine auf Leistungsfähigkeit und nicht auf Rendite ausgelegte Infrastruktur.

Nun ist es auch Zeit, die letzten Überbleibsel aus den 1990er und 2000er Jahren politisch zu beerdigen, als man nicht mehr die Schiene stärken, sondern die DB AG in ihrem damaligen Ist-Zustand an der Börse verkaufen wollte. Zeitweise sah es auch ohne Börsengang so aus, als seien die in der Debatte damals befürchteten Worst-Case-Szenarien eingetreten. Jetzt muss man klar sagen: Wir wollen eine gute Eisenbahn, eine Eisenbahn, die Menschen und Güter zuverlässig transportiert und das gilt es mit Leben zu füllen. Das Thema hat verschiedene Facetten und jede einzelne zu betrachten ist wichtig.

Siehe auch: Beschleunigungskommission Schiene ist gestartet
Foto: Deutsche Bahn AG / Volker Emersleben

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