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#9für90 startet am 1. Juni

23.05.22 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

In der letzten Woche haben Bundestag und Bundesrat das im Frühjahr von der Bundesregierung überraschend angekündigte 9-Euro-Ticket offiziell beschlossen. In den Monaten Juni, Juli und August lassen sich öffentliche Verkehrsmittel bundesweit für neun Euro im Monat nutzen. Der Vorverkauf ist bereits gestartet, wobei Zeitkarteninhaber eine Gutschrift bekommen. Es ist nicht notwendig, bestehende Abonnements zu kündigen, um in den Genuss des erheblich verbilligten Fahrscheins zu kommen.

Auch in Schleswig-Holstein läuft der Vorverkauf bereits. „Wir sind sehr gespannt auf das Großexperiment mit dem 9-Euro-Ticket im Nahverkehr, weil es bisher keine vergleichbaren Erfahrungen gibt. Diese einmalige Sonderaktion sehen wir als große Chance, die Menschen in Busse und Bahnen zu bekommen – auch nach dem 9-Euro-Ticket“, so Arne Beck, Geschäftsführer der Nah.SH GmbH. „Zu bestimmten Zeiten und auf bestimmten Strecken kann es aber sehr voll werden. Wer kann, sollte nicht dann fahren, wenn alle fahren.“

Da das Ticket bundesweit gilt, war es kaum möglich, aus anderen Regionen Fahrzeuge oder Personal auszuleihen. Auf der Marschbahn wird es aber zusätzliche Kapazitäten geben können, weil DB Regio hierfür einen zusätzlichen Doppelstockzug organisieren konnte. Einzelne Verstärkungen gibt es auch bei der nordbahn und an der Lübecker Bucht. Ansonsten wird landesweit voraussichtlich weitgehend das normale Regelangebot fahren.

Zusätzliche Kapazitäten hat man auch in Niedersachsen bestellt oder das zumindest versucht. So verkehrt beispielsweise die Linie RE 15 der Westfalen zwischen Münster und der Nordsee dauerhaft in Doppeltraktion. Ab dem 9. Juli setzt die Nordwestbahn zwischen Bremerhaven und Twistringen sowie Richtung Bad Zwischenahn längere Züge ein – vorher war auch das nicht möglich.

Im Hansenetz des Metronom war das nicht möglich, weil es zwischen Lüneburg und Hamburg eine Großbaustelle durch die DB Netz AG gibt – die aus nicht näher genannten Gründen auch nicht verschoben werden kann. Im Expresskreuz Bremen-Niedersachen sind keine zusätzlichen Fahrten und keine Verlängerung von Zügen möglich. DB Regio hat aber an mehreren Einsatzstellen Entlastungsbusse mit Fahrradanhängern für das Pfingstwochenende, das zweite Wochenende im Juni und das erste Sommerferienwochenende bestellt.

LNVG-Geschäftsführerin Carmen Schwabl sagt mit Blick auf das 9-Euro-Ticket: „Wir würden uns sehr freuen, wenn das 9-Euro-Ticket hilft, Menschen zum Umstieg auf die Öffis zu bewegen.“ Allerdings werde mit der plötzlichen Aktion des Bundes besonders deutlich, woran es hapere. „Der Bund hat den Bahnverkehr über Jahrzehnte vernachlässigt. Es fehlen Bahnstrecken, die Kapazität der Bahnhöfe reicht nicht.“

Obwohl die LNVG mehr als 400 Lokomotiven, Wagen und Triebzüge an die Bahngesellschaften vermietet, sei es auch nur selten möglich, Züge zu verlängern. „Die Bahnsteiglängen sind häufig bereits ausgeschöpft“, so Schwabl, „längere Züge könnten dort gar nicht halten.“ Für zusätzliche Züge fehle es den Bahngesellschaften außerdem am Personal. Schwabl: „Wir hoffen, dass das 9-Euro-Ticket kein Strohfeuer bleibt, sondern dass der Bund dauerhaft mehr in Infrastruktur und Betriebsleistungen investiert.“

Das Ticket gilt nicht in den ansonsten mit Nahverkehrsfahrscheinen nutzbaren InterCity-Zügen etwa zwischen Bremen und der Nordsee. Aber: Reisende, z.B. mit den Tickets des VBN-Tarifs, des Niedersachsentarifs, dem Quer-durchs-Land-Ticket sowie mit dem landesweiten Semesterticket Bremen/Niedersachsen, können diese InterCitys auf diesen Streckenabschnitten jedoch nach den bestehenden Regelungen weiterhin nutzen.

Die Allianz pro Schiene hat eine bundesweit Erreichbarkeits-Auswertung vorgenommen. Besonders schlecht schneidet dabei der Freistaat Bayern ab. Nach einer deutschlandweiten Erreichbarkeits-Auswertung der gemeinnützigen Allianz pro Schiene schneiden bayerische Landkreise beim Bus und Bahnangebot besonders schlecht ab. Sieben der zehn unterversorgtesten Landkreise liegen in Bayern.

Die Unterversorgung mit Bus und Bahn liegt laut Allianz pro Schiene nicht nur an der geringen Bevölkerungsdichte. „Die zehn Landkreisen mit der geringsten Bevölkerungsdichte haben allesamt ein besseres Bus- und Bahnangebot als die Flop-10-Landkreise“, so Verandsgeschäftsführer Dirk Flege, der Bund und Länder aufruft, ab Herbst deutliche Verbesserungen zu erwirken.

Siehe auch: Es wird ernst

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