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Die Schattenseiten einer Wundertechnologie

19.05.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Manchmal stelle ich mir ernsthaft die Frage, ob außer mir niemand die Schattenseiten sieht, wenn man auf irgendwelche Wundertechnologien umsteigen will, die zwar nicht marktfähig sind, aber das blaue vom Himmel versprechen. War nicht die Kernkraft einst ebenso segensreich und viel später bemerkte man die Risiken und möglichen Folgekosten? Hat es nicht Gründe, wieso die vermeintlich alternativen Traktionsarten sich nie durchsetzen konnten obwohl die Idee ähnlich alt sind wie dieser Dieselmotor?

Sollte Elektromobilität nicht da stattfinden, wo es wirtschaftlich sinnvoll ist, nämlich unter einer Oberleitung? Und wieso glauben wir in Deutschland, mit einem Ausstieg aus hocheffizienten Dieselbussen könnten wir die Welt retten, während die Elektrifizierungsquote unseres Eisenbahnnetzes nach wie vor viel zu gering ist gemessen an den Ansprüchen, die ein Hochtechnologiestandort haben sollte?

Natürlich kann man den Dieselausstieg mit politischen Mitteln erzwingen, ganz gleich ob das von der Bundesregierung oder von der Europäischen Union kommt. Irgendwann erlauben wir halt keine Dieselbusse mehr, aber genau hier setzt das Problem an: Was ist denn, wenn irgendeine Richtlinie 4711 auf einmal die Anschaffung von Dieselbussen untersagt, aber sich keine öffentliche Stelle mehr findet, die bereit ist, Fördergelder zu finanzieren?

Am Ende droht das, was wir nicht möchten, nämlich Leistungskürzungen und Abbestellungen, weil es eben doch nur ein bestimmtes Budget gibt, das ausreichen muss – einen Nachschlag gibt es nicht. Dabei spielen entsprechende Kostenrisiken nicht nur auf der Straße eine Rolle, sondern auch auf der Schiene. Wobei gerade der Dieselbus nicht Teil des Problems ist, sondern Teil der Lösung, denn öffentliche Verkehrsmittel haben bereits eine deutlich bessere Umwelt- und Schadstoffbilanz als der Individualverkehr.

Dazu kommt, dass gerade moderne Dieselbusse immer wirtschaftlicher und sauberer werden – ganz ohne staatliche Zuschüsse. Derweil schafft man es auf der Schiene nicht, ein anständiges Elektrifizierungsprogramm zu starten, das eigentlich notwendig wäre. Auch Versuche, große Netze mit Akkuzügen auszuschreiben beruhen am Ende auf einer Technologie, die sich nie hat durchsetzen können und die im Alltag unerprobt ist.

Für potentielle Bieter hat man hier gigantische Risiken, die sich viele Unternehmen gar nicht mehr ans Bein binden werden. Der Marktakteur indes, auf den man sich verlassen kann, weil viele ihn noch „Bundesbahn“ nennen, wird an den Start gehen – und entsprechende Preise verlangen. Das heißt nicht, dass die Branche nicht auch die wissenschaftliche Forschung weiter begleiten soll.

Auf jeden Fall ist es richtig, auch in Zukunft mit Universitäten, Laboren und anderen Einrichtungen zu kooperieren und bislang nicht übliche Technologien in der Praxis zu testen. Man kann auch immer mal wieder einzelne Busse haben, die gesondert gefördert werden. Aber den gesamten Busverkehr auf eine nicht marktfähige vermeintliche Wundertechnologie umzustellen, das kann ganz übel enden.

Siehe auch: PwC: Zahl der E-Busse verdoppelt
Foto: Lykaon

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