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Starke Schiene statt starke Intrigen

16.05.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Man kann sicher vieles über den VRR sagen, aber langweilig ist es in Gelsenkirchen noch nie geworden. Seit Jahren bietet dieser Aufgabenträger Stoffe für Wirtschaftskrimis, die vermutlich die Kinosäle der Republik füllen würden. Auch jetzt wieder hat man eine Situation, die auf den ersten Blick ganz anders aussieht, als sie tatsächlich ist. Dabei spielt Ronald Lünsers Wechsel von Abellio Rail NRW zum VRR gar keine so große Rolle.

Zurecht nicht, denn dass jemand im Laufe seines Lebens den Arbeitgeber wechselt, ist etwas ganz normales: Ronald Lünser hatte bei Abellio einen Job, den hat er gemacht (u.a. mit dem Ergebnis, dass Abellio jahrelang der Qualitätsführer im nordrhein-westfälischen SPNV war) und jetzt macht er dem Job beim VRR. Darüber hinaus waren andere Akteure die treibenden Kräfte, die eine Einigung mit Abellio Rail NRW verhindert haben, wie es sie z.B. bei der WestfalenBahn gegeben hat.

Natürlich kann man Lünser jetzt vorwerfen, aus Loyalität seinem alten Arbeitgeber gegenüber versucht zu haben, eine Einigung über dessen Fortexistenz zu erzielen. Tatsächlich aber ist es im fundamentalen Interesse aller Aufgabenträger, die Zahl der im Markt tätigen Akteure auf einem hohen Niveau zu halten, denn nur eine hohe Resonanz bei Ausschreibungen garantiert, dass man angemessene Marktpreise zahlt und nicht die Gewinne für ein Bundesunternehmen finanziert, dass die Abwesenheit von Konkurrenz zumindest in der Vergangenheit ausgenutzt hat, wo immer es ging. In der Wüste ist das Wasser teurer.

Nun hat man im Jahr 2021 die große Chance gehabt, als zwei Unternehmen im Schutzschirmverfahren steckten und ein weiteres zum Verkauf stand, diese durch das Land Nordrhein-Westfalen übernehmen zu lassen und eine Staatseisenbahn im eigentlichen Sinne zu bekommen – ein Unternehmen, das für das Land fährt und von diesem steuerbar ist. Diese Chance hat man verstreichen lassen, sodass man auch in Zukunft darauf angewiesen ist, viele Bieter im Markt zu haben.

Und je nachdem, was im VRR passieren wird, wird es auch in der Landespolitik entsprechende Konsequenzen geben. Ganz gleich, wer in Zukunft Minister ist und von welcher Partei diese Person kommt, niemand kann sich einen riesigen Aufgabenträger leisten, der in seinen eigenen Intrigen versinkt. Dabei steht schon in unmittelbarer Zukunft im Tagesgeschäft etwas wichtiges an: Die Ausschreibung des Akkunetzes Münsterland-Niederrhein wird zum Lackmustest für den Zustand des Eisenbahnmarktes als solchen.

Man hat eine weitgehend unerprobte Technologie, die bislang nur in Versuchsfahrzeugen zur Anwendung kam, die dann auf Jahrzehnte hinaus betrieben werden muss. Wer ist bereit, sich hier zu beteiligen? Die DB AG mit Start Deutschland dürfte ganz sicher dabei sein, aber auch die bereits genannten Preise fordern, wenn es keine Konkurrenz gibt. Gleichzeitig drängen natürlich alle politischen Kräfte auf eine stärkere Fokussierung zugunsten der Schiene. Doch gerade bei einer ernsthaften Verkehrswende braucht man alles Engagement für die starke Schiene.

Siehe auch: VRR: Diskussionen um Ronald Lünser
Foto: Verkehrsverbund Rhein-Ruhr AöR

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