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Neue Diskussionen um #9für90-Ticket

28.04.22 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

In weniger als fünf Wochen soll es starten: Das #9für90-Ticket wird drei Monate lang angeboten und soll bisherigen Autofahrern ermöglichen, sich öffentliche Verkehrsmittel anzusehen und hier einen stark verminderten Preis zu bezahlen. Neun Euro pro Monat soll ein solches Ticket kosten und voraussichtlich ist die bundesweite Nutzung des Regionalverkehrs auf der Schiene sowie des kommunalen Verkehrs möglich.

Wer heute eine Zeitkarte besitzt, wird in dieser Zeit entsprechend weniger bezahlen ohne dass es besonderer Anträge bedarf. Es wird dringend davon abgeraten, jetzt die eigenen Zeitkarten zu kündigen, weil man befürchtet, sonst nicht in den Genuss des verbilligten Angebotes zu kommen. Hier wurde bereits mehrfach ausdrücklich Entwarnung gegeben.

Im Juni, Juli und August wird niemand mehr als neun Euro pro Monat für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs in der Bundesrepublik bezahlen müssen. Allerdings gibt es neue Unklarheiten über die Lastenverteilung: Ursprünglich hat die Ampelkoalition im Bund die Aktion überraschend angekündigt und damit die gesamte ÖV-Branche unvorbereitet getroffen. Doch nun gibt es Unklarheiten, ob auch die Länder sich an den entstehenden Kosten beteiligen sollen.

So sagt Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU): „Hier wird ganz klar versucht, die Kosten bei Ländern, Kommunen und Verkehrsunternehmen abzuladen. Wenn, wie erwartet, viele Menschen das Ticket nutzen wollen und dafür zusätzliche Züge und Busse bereitgestellt werden müssen, will der Bund das Geld dafür nicht aufbringen. Auch von den eigentlich im Koalitionsvertrag der Ampel vorgesehenen Mittel für den Ausbau des ÖPNV und zur Unterstützung der Verkehrsunternehmen ist nun plötzlich keine Rede mehr.“

Ursprünglich hatten die Länder 5,6 Milliarden Euro vom Bund gefordert: 2,5 Milliarden Euro für das „9 für 90 Ticket“ plus Nachschusspflicht des Bundes bei Mehrkosten, 1,6 Milliarden Euro für den ÖPNV-Rettungsschirm und 1,5 Milliarden Euro reguläre Regionalisierungsmittel zum Ausgleich gestiegener Energiepreise und dringend notwendiger Mehrleistungen. Nun stehen aber wohl nur 3,7 Milliarden Euro zur Verfügung.

Minister Bernreiter: „Mit diesem Kosten-Chaos bewahrheiten sich meine Befürchtungen leider immer mehr. Die Bundesregierung hat sich mit dem ‚9 für 90 Ticket‘ eine schöne Schlagzeile ausgedacht, will sich bei der Umsetzung aber einen schlanken Fuß machen. Hier muss sofort und gründlichst nachgebessert werden!“

Ursprünglich hatte der Bund zugesagt, alle Kosten zu übernehmen. Das sollte auch dann gelten, wenn die erste Kostenprognose des Bundes überschritten würde. „Im Vertrauen auf diese Zusage arbeiten die Länder gemeinsam mit den Kommunen und den Verkehrsunternehmen an der Umsetzung des Tickets“, so Minister Bernreiter. „Auch müssen noch die wesentlichen Eckpunkte des vom Bund verkündeten Tickets geklärt werden, insbesondere die bundesweite Geltung. Hier sind noch viele Punkte offen, nur den Start am 1. Juni hat der Bund schon ausgegeben. Aber wer die Party bestellt, muss sie auch bezahlen und rechtzeitig die Musik mitbringen!“

Dem schließt sich auch der sächsische Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) an: „Das geplante Ticket ist für viele eine gute Möglichkeit, um die Auswirkungen der gestiegenen Energiekosten ein wenig abzumildern. Die Ankündigung des Bundes war eindeutig: Je neun Euro für drei Monate – die anfallenden Kosten wollte der Bund komplett übernehmen. Jetzt versucht das Bundesverkehrsministerium, diese Kosten teilweise an die Bundesländer abzuwälzen und mit dem ÖPNV-Corona-Rettungsschirm zu verrechnen.“

Das ist für Dulig nicht akzeptabel: „Wer bestellt, muss auch zahlen. Die Verkehrsunternehmen und die Länder stehen bereits vor hohen finanziellen Belastungen nach der Corona-Pandemie und können nun nicht erneut zur Kasse gebeten werden. Ohne die versprochene auskömmliche Finanzierung wird die Einführung des Neun-Euro-Tickets nicht funktionieren.“

Die nun vom Bundesverkehrsministerium geplante Verrechnung mit dem ÖPNV-Rettungsschirm würde für alle Bundesländer eine deutliche Mehrbelastung bedeuten: Für den ÖPNV-Rettungsschirm soll es nur noch 1,2 Milliarden Euro geben, also 400 Millionen Euro weniger als zugesagt. Zudem soll der Ausgleich für kriegsbedingte Mehrkosten, Inflationseffekt und Leistungsanpassungen komplett unter den Tisch fallen. Dies würde 1,5 Milliarden Euro Mehrkosten bedeuten. Die Länder sind nicht in der Lage, diese ungeplanten Lasten zusätzlich auszugleichen.

Siehe auch: Der Sommer von Bus und Bahn

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