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Schiene und DB AG getrennt denken

17.01.22 (Güterverkehr, Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Der von Mofair-Präsident Tobias Heinemann aufgebrachte Gedanke, was wohl bei der DB AG los wäre, wenn es sich um eine „normale“, börsennotierte Aktiengesellschaft handelte, ist gar nicht so verkehrt. Im Gegenteil: Stellen wir uns vor, im Oktober 2008 wäre die DB AG unter Hartmut Mehdorn an die Börse gegangen. Es folgten die S-Bahn-Krise in Berlin, das Abellio-Urteil und mehrere Geschäftsjahre, die alles andere als rosig waren.

Übrigens, die zeitweise in der Debatte befindliche Ausgabe sogenannter Vorzugsaktien, also Aktien ohne Stimmrecht, wäre nicht lange gut gegangen, weil Vorzugsaktien nach drei Jahren ohne Dividende automatisch in normale Aktien umgewandelt werden. Und heute wissen wir, dass drei Jahre ohne ausschüttungsfähigen Gewinn bei der DB AG nicht nur möglich, auch nicht nur wahrscheinlich, sondern unter Umständen auch deutlich länger der Alltag sein können.

Gleichzeitig kann sich ein privater Investor dennoch sicher sein: Für dieses Unternehmen wird der Bund im Zweifel immer den Steuerhahn öffnen. Wir sehen das aktuell auch daran, dass man voller Häme und Schadenfreude aus der Politik ein viele Jahre aktives Unternehmen, das qualitativ hochwertige Leistungen abgeliefert hat, in die Insolvenz laufen lässt und statt dessen all diejenigen politisch Oberwasser kriegen, denen die marktwirtschaftliche Orientierung der Eisenbahn schon immer suspekt war.

Damit das klar ist: Auch eine Monopolbahn kann teilweise privatisiert sein, wir sehen in der Kommunalwirtschaft massenhaft Unternehmen, die nur noch in Teilen der öffentlichen Hand gehören, aber dennoch nie entmonopolisiert worden sind. Dabei wäre es gerade jetzt, wo eine neue Bundesregierung an den Start geht und so manch angestaubte Gewohnheit beenden kann, an der Zeit, den Verkehrsträger Eisenbahn und das Unternehmen DB AG getrennt zu denken.

Der Güterverkehr auf der Schiene wird von zahlreichen Unternehmen sichergestellt. Die Durchführung kann natürlich von DB Cargo erfolgen, aber auch von vielen anderen Betreibern. Ähnlich sieht es auch im Regionalverkehr aus. Natürlich ist DB Regio hier ein auf dem Markt erfolgreich aktives Unternehmen, das immer wieder Vergaben und Aufträge für sich gewinnen kann.

Der DB-Konzern hat es zudem geschafft, nach dem Abgang des umstrittenen Hartmut Mehdorn im Frühjahr 2009 die Zusammenarbeit mit den Wettbewerbsbahnen zu intensivieren. Aus feindlichen Unternehmen (jeder, der lange genug dabei ist, weiß wie die DB AG unter ihrem selbsternannten Bahnkönig aufgestellt war), die man widerwillig auf dem eigenen Netz fahren lassen musste sind Kunden und Stakeholder geworden.

Es sind Partner, mit denen über einen langen Zeitraum hinweg immer wieder zu tun hat: Mal als Konkurrenten, mal beauftragt man sich gegenseitig, mal mit ähnlichen und mal mit unterschiedlichen Interessen. Und während längst ein eingeschwungener Markt entstanden ist, ist es jetzt an der Zeit, den Konzern und die Schiene getrennt zu denken. Das ist die große Herausforderung der neuen Ampelkoalition.

Siehe auch: Bundesrechnungshof kritisiert DB-Konzernabschluss
Foto: Deutsche Bahn AG / Georg Wagner

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