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Veränderungen annehmen und gestalten

11.11.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

${IP_ADDRESS}Als vor etwa dreißig Jahren die ersten Arbeitsplätze am heimischen Computer eingerichtet worden sind, da warnten einige Leute vor den negativen Auswirkungen: Aus der Präsenz in der Firma wird eine ständige Erreichbarkeit zu Hause, es gibt keinen Feierabend mehr, sondern man ist Tag und Nacht quasi auf Abruf. Und wirklich durchgesetzt hat es sich bis vor zwei Jahren auch nicht, obwohl die Arbeit von der eigenen Wohnung aus in vielen Berufen schon lange kein Problem mehr sein dürfte.

Vielfach wurde über das „Recht auf Homeoffice“ diskutiert, aber für viele Firmen war es etwas ganz selbstverständliches, dass die Mitarbeiter morgens zu erscheinen haben und zum Feierabend wieder gehen. Doch viele Bürojobs können in einer angemieteten Gewerbeimmobilie genauso gut gemacht werden wie am heimischen Schreibtisch. Der Trend wäre vermutlich ohnehin gekommen, wenn auch deutlich langsamer und schwerfälliger. Manche gesellschaftlichen Veränderungen brauchen ihre Zeit und andere sind, wenn es einen entsprechenden Auslöser gibt, sofort da.

Natürlich bietet die eigene Wohnung im Zweifel auch eine höhere Arbeitsqualität als das Großraumbüro. Entsprechende Veränderungen gehen auch für die Eisenbahn- und ÖPNV-Branche einher. Viele Arbeitnehmer, die bislang morgens um sieben im Zug waren, weil sie um acht im Büro sein mussten, bleiben zuhause und werden das auch auf Dauer. Dann geht man einen oder zwei Tage in der Woche ins Büro, vielleicht aber erst vormittags um elf oder man fährt am frühen Nachmittag wieder nach Hause.

Doch wer bislang immer den Verstärkerzug am Morgen genutzt hat, der stellt fest, dass man am Vormittag vielleicht erhebliche Taktlücken hat. Was mache ich denn, wenn der Regionalexpress um 7:20 fährt, aber um 7:05 und um 7:12 bereits Entlastungszüge fahren, nach dem Abschluss des Berufsverkehrs gibt es aber nur noch einen Zweistundentakt? Vielleicht hat der eine oder andere irgendwo im Bundesgebiet auch nach wie vor mit Taktlücken zu kämpfen, die im Rahmen des Koch-Steinbrück-Papiers zum Ende der Nullerjahre gerissen und nicht wieder gestopft worden sind.

Es ist richtig, dass man inzwischen überall in Deutschland dabei ist, an Angeboten für Stammkunden zu arbeiten, die nur noch gelegentlich fahren. Ein Ticket, das an zehn Tagen im Monat gilt, das für zwanzig Fahrten gilt in einem unbeschränkten Zeitraum und vieles mehr. Es braucht aber auch ein Angebot, das sich an all diejenigen richten, die nicht den Schichtbus brauchen, sondern die auf Mobilitätsverfügbarkeit jenseits der konventionellen Spitzennachfrage brauchen.

Denn eins steht fest: Das Auto ist immer und überall verfügbar, einfach einsteigen und losfahren. Die Idee hinter dem integralen Taktfahrplan ist, dass man genau dieser Dauer-Verfügbarkeit etwas entgegensetzt. Das gilt für die großspurigen Ankündigungen eines Deutschlandtaktes ebenso wie vor Ort in den Kommunen. Hier ist jeder Bürgermeister und jedes kommunale Planungsamt gefordert, gesellschaftliche Veränderungen anzunehmen.

Siehe auch: Homeoffice und die Auswirkungen auf den SPNV
Foto: Deutsche Bahn AG / Wolfgang Klee

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