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Abellio-Urteil: Auf die nächsten zehn Jahre Marktwirtschaft

08.02.21 (Kommentar, Verkehrspolitik, VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Wir werden alle nicht jünger und tatsächlich ist das Abellio-Urteil heute auf den Tag genau zehn Jahre her. Wer hätte gedacht, wie sehr die Zeit verfliegt. Und nach zehn Jahren kann man auch wirklich zurückschauen, denn diese Zeitspanne ist einerseits lang genug, dass man die Entwicklungen aus einer großen Perspektive beobachten kann, andererseits aber auch kurz genug, um ausreichend übersichtlich zu sein.

Viele Leser waren damals noch in anderen Branchen tätig und kannten die Eisenbahn allenfalls aus der Fahrgastperspektive. Und viele erinnern sich auch, wie es in den Zügen der (ehemaligen) Bundesbahn bis weit in die Nullerjahre ausgesehen hat: Es waren Schlechtleistungen die Regel, die sich heute niemand mehr vorstellen kann.

Es gab gleichzeitig notleidende Aufgabenträger, die durch gesenkte Regionalisierungsgelder gerupft wurden, aber andererseits wegen Nettoverträgen nicht von den gestiegenen Markteinnahmen profitieren konnten – die gingen alle an DB Regio. Die hätten natürlich auch damals an andere Betreiber gehen können oder auch andere hätten Direktvergaben erhalten können.

Tatsächlich aber gab es nie ein anderes Unternehmen als „die Bundesbahn“, das im großen Stil Direktvergaben akquiriert hat. Dem hat der Bundesgerichtshof vor zehn Jahren einen Riegel vorgeschoben. Seitdem hat sich die Qualität auf der Schiene deutlich verbessert. Natürlich sind die Aufgabenträger in dieser Zeit auch weitergekommen: Man erstellt Qualitätsberichte und kontrolliert effektiv die Leistung der Betreiber.

Denken wir auch hier zehn oder zwölf Jahre zurück: Damals galt es in der Eisenbahnbranche als polemisch und populistisch, dass man Qualitätsberichte erstellt und ein Vergleich verschiedener Netze untereinander sei ja ohnehin unseriös, weil sich die Rahmenbedingungen zu stark unterscheiden. Und hier muss man sagen: Der Wettbewerb hat sich durchgesetzt, aber dennoch ist die Ausgangslage jetzt eine andere.

Wir haben keine notleidenden Aufgabenträger mehr, sondern bundesweit hohe Summen nicht verausgabter Regionalisierungsgelder. Im Gegenzug sind wettbewerblich vergebene Verkehrsverträge aber über die Jahre in die Nicht-Auskömmlichkeit gelaufen. Das hat mit massiv gestiegenen Bauaktivitäten, aber auch mit höheren Personalkosten zu tun.

Hier ist es richtig, dass man mit neuen Konzepten Abhilfe schafft, das Konzept „Verkehrsvertrag 2.0“ ist genau der richtige Schritt: Der Aufgabenträger muss durchgreifen, wenn der Verkehrsbetreiber für Probleme verantwortlich ist: Personalmangel, kaputte Toiletten oder Türen, verschmutzte Züge. Auf der anderen Seite sind kaputte Bahnübergänge, Suizide oder Baustellensperrungen ganz anders zu bewerten.

Hier gilt es also, auch nach zehn Jahren, dem Tenor des Abellio-Urteils folgend, die marktwirtschaftlichen Strukturen auf der Schiene zu sichern. Denn wenn man diese nicht mehr hat, dann kommt man sehr schnell zurück zu nur einem Monopolbetreiber. Dieser wird dann Monopolpreise verlangen und Monopolqualität abliefern. Genau das kann aber wirklich keiner wollen.

Siehe auch: Zehn Jahre Abellio-Urteil

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