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Staatsbahnen planen neues Nachtzugnetz

14.12.20 (Europa, Fernverkehr, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Für ein deutlich engeres Nachtzugangebot auf Europas Schienen sollen die bereits erfolgreichen Kooperationen zwischen den vier Bahnunternehmen Deutsche Bahn (DB), den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), der französischen SNCF und den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) weiter ausgebaut werden. Darauf haben sich am Rande der Konferenz der europäischen Verkehrsminister die vier Bahnchefs Richard Lutz (DB), Andreas Matthä (ÖBB), Jean-Pierre Farandou (SNCF) und Vincent Ducrot (SBB) verständigt.

Die ersten konkreten Ergebnisse dieser Ausweitung der Kooperation sind vier neue Nightjet-Linien, die in den nächsten Jahren insgesamt 13 europäische Millionenmetropolen miteinander über Nacht verbinden werden: Im Dezember 2021 starteten Züge von Wien über München nach Paris sowie von Zürich über Köln nach Amsterdam. Im Dezember 2023 kommen Verbindungen von Wien und Berlin nach Brüssel und Paris dazu und im Dezember 2024 startet ein Nachtzug von Zürich nach Barcelona.

Die Erklärung der vier Bahnunternehmen bildet den Auftakt zum Europäischen Jahr der Schiene. Am 1. Dezember hatten sich die Europaabgeordneten des Verkehrsausschusses darauf geeinigt, das kommende Jahr der Stärkung des Schienenverkehrs zu widmen. Ein starkes Schienennetz ist demnach unverzichtbar, um die Klimaziele der EU zu erreichen.

Dazu gehört auch ein starkes Nachtzugnetz, das Schlüssel zu einer nachhaltigen und umweltfreundlichen Mobilität ist. Gemeinsam im engen Schulterschluss mit der Politik haben sich die vier Partnerbahnen nun in einem klaren Bekenntnis zum Nachtzug auf eine noch stärkere Zusammenarbeit auf allen Ebenen festgelegt.

Grundsätzliches Lob kommt vom Wettbewerberverband Mofair. Nachtzüge sieht man dort als potentielle Alternative zu späten Nacht- oder morgendlichen Frühflügen an, zudem hätten private Betreiber in der Vergangenheit gezeigt, dass man dies durchaus erfolgreich machen kann. Man warnt allerdings davor, diese durch die ehemaligen Monopolisten betreiben zu lassen.

Verbandspräsident Christian Schreyer: „Ein europäisches Fern- und natürlich auch Nachtzugnetz kann sehr sinnvoll sein. Dieses dürfen aber die Staatsbahnen nichts als closed shop unter sich ausmachen. Die Planungen müssen von Anfang an mit den Wettbewerbsbahnen gemeinsam vorangetrieben werden. Das gilt nicht nur für den Betrieb der Leistungen, sondern auch für den Verkauf der Fahrausweise. Nur so wird sichergestellt, dass die neue Initiative nicht zarte Pflänzchen privater Unternehmen zertritt.“

Die Ankündigung eines „subventionierten Nachtzugkartells“ sei nicht in Ordnung. Die Schweiz wird ihren etablierten Betreiber SBB direkt finanzieren – ohne Ausschreibung. In der Zwischenzeit gibt Frankreich hundert Millionen Euro für die Modernisierung von Nachtzugwagen allein für die SNCF aus. Europa müsse aber die Schließung des Nachtzugmarktes vermeiden.

Mofair-Geschäftsführer Matthias Stoffregen warnt: „Die Wettbewerbssituation für die anderen, nichtstaatlichen Zugbetreiber wird sich erheblich verschlechtern – nicht nur für die Unternehmen, die schon am Markt sind, sondern auch für neu Hinzukommende.“ Wenn die etablierten Betreiber bevorzugt behandelt werden und sie sich nicht dem Wettbewerb stellen, werden sie sich wie Monopolisten verhalten, anstatt den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen.

Hierfür hält man auch beim Fahrgastverband Pro Bahn die Schaffung eines nationalen Aufgabenträgers für notwendig. Lukas Iffländer, stellvertretender Bundesvorsitzender, fordert eine regulatorische Absicherung und eine wettbewerbliche Regelung der nächtlichen SPFV-Leistungen. „In allen Nachbarländern gibt es einen nationalen Aufgabenträger für den Fernverkehr, der diese Aufgabe übernimmt – in Deutschland fehlt dieser noch“, bemängelt Iffländer.

Auch erfreulich ist aus Sicht des Verbandes, dass man sich auf das Produkt Nightjet konzentriert und die ÖBB damit die Zügel für die Koordination in der Hand haben. Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Verbandes: „Die ÖBB brennen für das Produkt Nachtzug und sind von diesem voll und ganz überzeugt. Wir Fahrgäste wünschen uns ein ausgeweitetes Angebot, aber keiner wünscht sich ein Produkt in der Qualität, wie man es in den letzten Jahren der CityNightLine gewohnt war. Daher ist es richtig, dass der Nightjet die Basis und der Maßstab ist.“ Und dann wird man in den kommenden Jahren sehen, ob im größeren Stil Fluggäste auf die Schiene umsteigen.

Siehe auch: Staatliche Kontrolle für staatliche Aufgaben

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