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Der ÖPNV bleibt auch in der Krise essentiell

19.11.20 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Das Wichtigste zuerst: Die Wissenschaft weiß jetzt, Mitte November, deutlich mehr über SARS-CoV-2, so der offizielle Name des Covid-19-Erregers, als noch im März oder April. Man hat daher deutlich bessere Grundlagen, um politisches Handeln zu bestimmen und man könnte auch die Verhältnismäßigkeit bestimmter Dinge besser bewerten. Soll man wirklich im großen Stil Krebsoperationen verschieben oder Routinebehandlungen für chronisch Kranke absagen, um Platz für potentielle Covid-19-Patienten zu schaffen?

Ist es richtig, die Kinder und Jugendlichen gleichzeitig trotzdem zur Schule zu jagen, nur damit ja kein Unterricht ausfällt, während sich nachmittags nicht einmal zwei, drei oder vier Schüler privat treffen dürfen, weil es für diesen Bereich Kontaktbeschränkungen gibt? Und sind volle öffentliche Verkehrsmittel wirklich kein Ansteckungsherd?

Es ist sicher richtig, dass viele Verkehrsunternehmen gerade für die Stoßzeiten zusätzliche Fahrzeuge einsetzen und dass auch die Schulen den Unterrichtsstart flexibel handhaben, um eine Entlastung zu generieren. Aus ähnlichen Gründen hat man schon vor Jahrzehnten die gleitenden Arbeitszeiten eingeführt, um die Spitzen im Berufsverkehr zu entzerren.

Sowas können auch Schulen machen und die verschiedenen Schuldirektoren in den Städten sind aufgerufen, sich untereinander abzusprechen und auch den Kontakt mit den Verkehrsbetrieben zu suchen. Das kann kein Schulminister und kein Verkehrsminister machen, hier muss vor Ort jeder für sich eine Lösung finden, die sich nicht von oben herab vorgeben lässt. Das gilt für Stuttgart genauso wie beispielsweise für Frankfurt, für Berlin, aber auch für Siegen, Koblenz, Freising oder Bad Münstereifel.

Nur eins hat in den letzten Tagen doch verwundert: Erst startet man mit viel Aufwand die Kampagne #WiederEinsteigen (heute wird alles in Hashtags geschrieben, weil wir ja mit der Digitalität das Level 4.0 erreicht haben) und dann heißt es in dieser Woche von ganz oben, von der Bundeskanzlerin selbst: Also eigentlich sollte man Fahrten mit Bussen und Bahnen vermeiden. Kurz darauf rudert man zurück, dass man halt generell große Menschenmengen meiden sollte.

Nur: Das ist in jedem Winter so, dass man sich in vollen Bussen und Bahnen schnell anstecken kann. Fragen Sie mal rheinländische Allgemeinärzte, die haben eine Woche nach Aschermittwoch immer volle Hütte, weil jeder Karneval eine wahre Ansteckungsparty ist – und das immer schon war. Deshalb feiern wir in diesem Jahr keinen Karneval und deshalb wird das Weihnachtsfest für viele Menschen wohl so einsam wie nie im Leben.

In Nordrhein-Westfalen starten die Weihnachtsferien einige Tage früher, damit so manche Groß- oder Urgroßeltern bei ihrem vielleicht letzten Weihnachtsfest doch noch die Enkel oder Urenkel sehen können. Allerdings: Solange der Schulunterricht wie immer stattfindet, solange können auch Busse und Bahnen nicht so gefährlich sein, wie manche es sagen. Deshalb ist die Kampagne #WiederEinsteigen auch so richtig. Busse und Bahnen sind und bleiben für uns alle essentiell wichtig.

Siehe auch: VVS: Fahrgastzahlen erholen sich

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