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Öffentliche Verkehrsmittel als Wirtschaftsfaktor sehen

01.10.20 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Als vor einigen Jahren Opel in Bochum (mal wieder, aber nicht auf Dauer) gerettet werden musste, wurde die Zahl der Arbeitsplätze genannt: Mir fiel auf, dass in dem irgendwann nicht mehr zu rettenden Automobilwerk am Ende weniger Menschen gearbeitet haben als bei der Bogestra AG. Trotzdem haben die Leute bei Opel in Bochum einen Arbeitsplatz, der auch dann gerettet werden muss, wenn es am Ende immer weniger sind, während der Straßenbahnfahrer bei der Bogestra nur Geld kostet.

Genau hier gilt es, umzudenken. Viele Verkehrsbetriebe sind als Arbeitgeber vor Ort nicht mehr wegzudenken: Sie bieten langfristig sichere Arbeit und Beschäftigung, sie bieten Ausbildungsplätze für junge Leute und in der Regel haben Mitarbeiter die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Es gibt sogar Unternehmensvorstände, die einst nach der Schule ihre Ausbildung in dem Unternehmen angefangen haben, das sie heute führen.

Jetzt kann man natürlich argumentieren, dass die Mitarbeiter einer Firma wie Opel dazu beitragen, dass Geld da ist, um Busse und Bahnen zu finanzieren. Wenn ich mir aber ansehe, wie abstrus so manche Firmen immer wieder gerettet worden sind, dann frage ich mich schon, ob man hier ernsthaft von sich selbst tragenden Unternehmen sprechen kann.

Zumal auch umgekehrt ein Schuh draus wird: Der Lokomotivführer, der Busfahrer, der Mechatroniker in den Werkstätten, diese Menschen schaffen die Grundlage, dass wir überhaupt eine Infrastruktur haben, auf deren Basis Wertschöpfung stattfinden kann. Öffentliche Verkehrsmittel tragen dazu bei, dass die Lebensqualität in den Städten steigt, weil weniger Autos fahren.

Eine Anbindung des Umlands an die Schiene trägt dazu bei, dass sich Menschen dort ansiedeln, Immobilien kaufen und dass die Bautätigkeit steigt. Viele Städte haben in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ebenso von der Eisenbahn profitiert wie sie es heute noch tun. Busse und Bahnen sind weder ein Luxus noch eine Sozialleistung für die, die (warum auch immer) nicht mit dem Auto fahren können, sondern sie tragen zu unserem Gemeinwohl ebenso bei wie der Autozulieferer im Gewerbegebiet oder der Supermarkt.

Die Coronakrise müsste wirklich jedem gezeigt haben, welche Berufsgruppen wichtig sind und auf welche wir nicht verzichten können – öffentliche Verkehrsmittel gehören dazu. Deshalb muss man Busse und Bahnen auch weiterhin fördern und erhalten. Das gilt gerade in der aktuellen Situation, wo wegen der Coronakrise die Fahrgelderträge wegbrechen. Dort wo Nettoverträge gemacht worden sind, muss es auch staatliche Rettungsschirme geben.

Es reicht eben nicht, für die DB AG die Milliarden bereitzustellen und die anderen Bahnen auf der Schiene im Regen stehen zu lassen. Wer das macht, der wird dem Verkehrsträger Schiene am Ende selbst schaden. Und wer hier ordnungspolitisch argumentiert und Unterstützungsleistungen durch den Staat ablehnt, der soll sich die Rettungspolitik der jüngeren Vergangenheit angucken. Busse und Bahnen sind nicht weniger systemrelevant als irgendeine Großbank.

Siehe auch: Wien: Straßenbahn erhält gute Bewertungen

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