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Ganz Europa anbinden

24.09.20 (Europa, Fernverkehr, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Der TEE mit seinen damals schon klimatisierten Waggons und seinen Standards, die ihrer Zeit voraus waren, erinnert an die großen Zeiten der Eisenbahn, die es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab. Auch die Nachgeborenen kennen die Bilder aus dem Sommer 1954, als die deutsche Fußball-Nationalmannschaft mit dem Zug aus der Schweiz nach Frankfurt gereist ist, um sich nach dem Wunder von Bern als frisch gebackener Weltmeister feiern zu lassen. Dieser Tage nimmt man verwundert zur Kenntnis, dass „die Mannschaft“, wie man sich ganz mondän zu nennen pflegt, von Stuttgart nach Basel fliegt, obwohl eine solche Fahrt sowohl mit dem Mannschaftsbus als auch mit dem Zug problemlos möglich wäre.

Letzten Montag waren die Pläne von ÖBB und SBB, ein europaweites Nachtzugnetz aufzubauen hier das Thema und es ist schön zu sehen, dass es nun auch politische Ambitionen gibt, die SPFV-Politik aus dem Bahntower wieder in das Verkehrsministerium zu holen, wo sie eigentlich auch hingehört. Doch geht man dann wirklich so weit? Soll ein solches TEE-Netz 2.0 wirklich an der DB AG vorbei geplant werden?

Wenn man mit politischen Mitteln ein solches internationales Netz auf die Beine stellen will, wer sagt dass die DB AG mehr als 25 Jahre nach der Eisenbahnreform noch immer der „geborene Betreiber“ für solche Leistungen sein muss? Hier wäre im Gegenteil die Chance zu nutzen, dass man – vielleicht in Form eines internationalen Aufgabenträgers – die zu fahrenden Leistungen definiert und dann ausschreibt.

Wer sagt uns, dass solche Züge in Deutschland von der DB AG, in der Schweiz von der SBB, in Frankreich von der SNCF, in Großbritannien von … ja von wem eigentlich in Großbritannien, wo man die Eisenbahn wirklich vernünftig liberalisiert hat? Dort gibt es keinen geborenen Betreiber mehr und die britische Eisenbahnreform ist seit der Reverstaatlichung der Infrastruktur auch ein großer Erfolg.

Ich hoffe doch, dass man Großbritannien mit aufnimmt in die Planungen und dass es trotz des Austritts aus der Europäischen Union einen Anschluss des TEE 2.0 nach London, Manchester, Liverpool und Glasgow gibt. Denn eins muss man wissen: Eurowings und andere fliegen von Düsseldorf, Frankfurt, Berlin und Hamburg auf die britische Insel, Brexit hin oder her.

Das muss die Eisenbahn schaffen, auch einen europäischen Inselstaat mit dem europäischen Festland zu verbinden. Es wird ja hoffentlich auch in der Schweiz gelingen und wer sich an den Orientexpress und die Planungen der Badgadbahn erinnert, der wird wohl auch einen Zug über den Balkan bis nach Istanbul schicken wollen. Also muss auch Großbritannien angebunden werden.

Aber man sollte eines nicht aus den Augen verlieren: Gerade wer wirklich schnell in Europa verreisen muss, der ist oft mit dem Flieger einfach besser dran. Die Eisenbahn kann nicht schneller oder besser von Lissabon nach Warschau reisen als der Flieger. Die spezifische Stärke der Schiene bei Reisenweiten von fünf bis vierhundert Kilometern sollte der Fokus der Eisenbahnpolitik bleiben.

Siehe auch Scheuer stellt internationales SPFV-Konzept vor

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