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Urbane Mobilität geht nicht ohne Auto

20.08.20 (Hamburg, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

In (West-)Deutschland gab es in den letzten Jahrzehnten zum Teil erhebliche Widersprüche: Einerseits sprachen die einen über autogerechte Städte, in denen der kommunale Schienenverkehr nur noch eine untergeordnete Rolle spielen dürfte, allenfalls als U-Bahn und keinesfalls als konventionelle Straßenbahn, die im individuellen Autoverkehr mitschwimmt. Andererseits gab es natürlich immer auch wieder die die Ideologie einer möglichst ÖPNV-affinen Stadt.

Auf die autogerechten Städte folgten horrende Parkgebühren und verkehrsberuhigte Zonen in der Hoffnung, dass die Leute dann mit dem Bus fahren. Das tun viele natürlich nicht, statt dessen verödeten viele Innenstädte. Manch einer interessiert sich nicht für die Buslinie, die aus der besseren Wohngegend direkt in die Stadt fährt, sondern man zieht dann die Fahrt über die Autobahn zum Einkaufszentrum auf die grüne Wiese vor.

Und bis heute ist es nicht gelungen, ideologische Gräben zuzuschütten und vernünftige Konzepte zu erarbeiten, wie man dafür sorgen kann, dass die Leute in die Stadt fahren und dennoch hin und wieder das Auto stehen lassen. Das Problem ist, dass diejenigen, die öffentliche Verkehrsmittel fördern wollten, bis vor ein paar Jahren keine anderen Ideen hatten, als den Autofahrern das Leben schwer zu machen ohne Rücksicht auf mögliche Kaufkraftabwanderung.

Erst seit relativ kurzer Zeit kennt man die Ideen der Multimodalität. Unter dem Motto „Vom Verkehrs- zum Tarifverbund“ hat man sich in den letzten Jahren deutlich breiter aufgestellt und der Verkehrsverbund hat sich über weit mehr definiert als nur durch den Einheitsfahrschein zwischen (Bundes-)Bahn und kommunalen Verkehrsunternehmen. So kriegen Zeitkarteninhaber die Carsharing-Autos oftmals rabattiert oder haben Vorteile bei Kurzzeitmieten für Fahrräder und vieles mehr.

Tatsächlich liegt hier der Schlüssel, um zumindest im urbanen Raum auf das eigene Auto zu verzichten. Wenn das Carsharing-Auto so leicht verfügbar ist, dass man es jederzeit kriegen kann, dann wird der eine oder andere, der bislang sein eigenes Auto hatte, vielleicht verzichten. Wenn ich weiß, dass ich auf den Smart oder den Mini zurückgreifen kann, um mal eben ein paar Getränkekisten zu holen, dann fällt es einfacher, auch psychologisch. Denn vergessen wir nicht, dass ein Automobil den Menschen auch eine ganze Menge Autonomie (der gleiche Wortstamm kommt nicht von ungefähr) zubilligt.

Man ist nicht drauf angewiesen, dass der Bus oder die Bahn fährt, man muss nicht hoffen, dass der Anschluss klappt, sondern man entscheidet selbst, wann man losfährt. Und hier ist ein Punkt, an dem viele sicherlich noch zögern: Was ist, wenn gerade kein Carsharing-Auto im Free-Floating da ist? Muss ich im Zweifel wirklich erst mit dem Bus zum nächsten Auto fahren und was ist, wenn sich das einer vor mir geschnappt hat? Hier wird es sicher eine Weile dauern, bis die Mauern in den Köpfen weg sind, aber die jungen Leute haben hier keine Berührungsängste mehr. Deshalb ist der Weg, der hier eingeschlagen wird, ein guter und erfolgversprechender.

Siehe auch: Hamburg: Neuer Mobilitätspunkt entsteht

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