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Marktwirtschaft auch auf der kommunalen Schiene

10.08.20 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Was machen eigentlich protegierte Staatsunternehmen, wenn sie etwas anschaffen müssen? Sie schreiben die Anschaffung aus und kämen im Traum nicht auf die Idee, mit Fahrzeugherstellern in dubiosen Hinterzimmern einen Preis auszuhandeln. Selbstverständlich nutzen diese die positiven Funktionsweisen der Marktwirtschaft und stellen sicher, dass die Anschaffung von Investitionsgütern so wirtschaftlich erfolgt wie es nur möglich ist.

Auf der anderen Seite ist allerdings das offizielle Narrativ, dass ein Mischbetrieb nicht ausgeschrieben werden könne, weil es so besondere Bedingungen gäbe. Diese Argumentation ist natürlich in mehrfacher Hinsicht falsch und hochgradig manipulativ, aber es gibt den Willen, Teile des deutschen Schienenverkehrs, insbesondere den, der unter BOStrab zugelassen ist, von marktwirtschaftlichem Wettbewerb zu isolieren und zu protegieren.

Wäre es tatsächlich so, dass beispielsweise das Karlsruher Stadtbahnnetz aus technischen Gründen nur durch ein einziges hochspezialisiertes Unternehmen betrieben werden könnte, ließe sich hier im Vergaberecht sehr wohl eine Direktvergabe rechtfertigen, das ist aber nicht der Fall. In anderen Ländern ist es selbstverständlich, dass auch kommunaler Schienenverkehr wettbewerblich vergeben wird.

Würde in Großbritannien jemand sagen, dass die Manchester Metrolink aus technischen Gründen ausschließlich durch die Stadtwerke Manchester betrieben werden könnte, würde man denjenigen vermutlich auslachen, ein solches Argument würde man wegen fehlender Ernsthaftigkeit nicht akzeptieren können. Hier in Kontinentaleuropa ist leider einiges anders. Aber was spricht denn objektiv dafür, dass man Netze dieser Art nicht wettbewerblich vergibt? Gar nichts.

Die Eisenbahnreform zeigt, wie sehr sich die Qualität bessert und die Kosten sinken. Dabei ist es nicht einmal mehr, dass Hersteller ihre Synergieeffekte suchen. Wussten Sie, dass die jetzt ausgemusterten Triebzüge der Wuppertaler Schwebebahn über weite Strecken baugleich sind mit U-Bahntriebzügen der 1970er Jahre aus Nürnberg und München? Man kann nämlich auch bei unterschiedlichen Arten sehr viele Gemeinsamkeiten haben.

Die Wuppertaler Schwebebahn ist im übrigen ein gutes Stichwort: Hier hat man eine alles außer gewöhnliche Straßenbahn, die von den kommunalen Stadtwerken betrieben wird. Netz und Betrieb sind getrennt, die Infrastruktur befindet sich im Eigentum der Stadt Wuppertal, mit dem Betrieb sind die Stadtwerke beauftragt und wenn man sich die letzten Jahre ansieht, dann ist das alles andere als ein Ruhmesblatt für die hochgelobten kommunalen Eigenbetriebe.

Stellen Sie sich mal vor, ein privater Betreiber würde es über Jahre nicht schaffen, einen ordnungsgemäßen Betrieb auf die Beine zu stellen. Man würde bundesweit über den gescheiterten Wettbewerb auf der Schiene lamentieren. Bei der Wuppertaler Schwebebahn hört man so gar nichts. Unsere Stadtwerke sind halt die guten. Aber auch hier gilt es, den Schritt in marktwirtschaftliche Strukturen zu gehen.

Siehe auch: Tram-Train-Ausschreibung für alle gestartet

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