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Die Eisenbahnreform neu denken

06.08.20 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Ja, die Systemrelevanz ist so eine Sache: Ohne Zweifel würde Deutschland ohne seine Eisenbahninfrastruktur nicht funktionieren, sodass der Konzern, der das Netz betreibt, dauerhaft davon ausgehen kann, im Zweifel mit politischen Mitteln gerettet zu werden. Es zeigt sich aber auch etwas anderes: Stagnierende oder gar sinkende Unternehmensgewinne sind ebenso wie mehrere aufeinanderfolgende Geschäftsjahre ohne ausschüttungsfähigen Gewinn bei einem Konzern wie der DB AG nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich.

Deshalb ist es erfreulich, dass das Thema Börsengang seit dem Ende der Mehdorn-Ära nicht mehr auf dem Tisch liegt. Wenn man sich einmal ansieht, was seit dem geplanten Börsengang im Oktober 2008, als vor knapp zwölf Jahren, alles passiert ist (Abellio-Urteil, S-Bahnkrise in Berlin, die Auslandsbeteiligungen sind nicht ansatzweise so profitabel wie gedacht und vieles mehr), so wäre es doch wahrscheinlich gewesen, dass der Aktienkurs eine Entwicklung wie bei der der Deutschen Bahn AG artverwandten Deutschen Telekom AG genommen hätte.

Es gab damals diesen Witz, dass jemand, der für tausend Mark Bier gekauft hat, nach anderthalb Jahren noch mehr Pfandgeld zurückbekommt als jemand, der die tausend Mark in Telekomaktien investiert hätte. Und tatsächlich sieht man, dass die DB AG in ihrer jetzigen Struktur nicht an die Börse gehört. Und ohne die Debatte um den Börsengang spricht auch keiner mehr so recht über eine Trennung von Netz und Betrieb, sodass eine Bundes-Bahn AG wahrscheinlich auch dauerhaft integriert bleibt.

Dafür unterliegt die jetzt doch nicht börsennotierte Bahn einer ganzen Reihe an Regulierungen, die man seinerzeit verhindern wollte und die teilweise hart und gegen den Konzernwiderstand erkämpft wurden. Hier kommt ein Bereich, der ist wirklich wichtig: Die Trassengebühren fließen nämlich, auch wenn im Verkehrsbereich die Fahrgelderträge ausbleiben. Abbestellungen gab es während der Coronakrise im Regionalverkehr kaum und dieser ist die Cashcow für DB Netz.

Und wir sehen, dass mit der Diversifizierung der Nullerjahre erhebliche Risiken einhergehen. Was passiert denn, wenn DB Arriva aus dem Ausland nicht mehr die Gewinne abwirft, mit denen man gerechnet hat? Wenn es in einigen europäischen Ländern auf einmal neuen Protektionismus gibt und man die Staatseisenbahn nicht mehr dem Wettbewerb aussetzt, sondern vor diesem schützt?

Es ist ja in Ordnung, wenn die DB AG in ganz Europa im Personenverkehr aktiv ist, so wie ja auch zahlreiche europäische Staatseisenbahnen über Tochtergesellschaften auf der deutschen Schiene aktiv sind. Problematisch wird das aber, wenn die Gewinne im Ausland fest für die Finanzierung im Inland eingeplant sind. Und dann stellt sich die Frage, was eine staatliche AG für Aufgaben hat. Muss sie Güter speditieren und das womöglich überall auf der Welt? Nein. Bei aller Kritik der letzten Jahre, wir sollten Corona zum Anlass nehmen und die Eisenbahn neu denken. Auch im Hinblick auf eine Trennung von Netz und Betrieb.

Siehe auch: DB AG: Schlechtes erstes Halbjahr 2020

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