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In der Krise den Alltag danach planen

09.04.20 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Ende des 19. Jahrhunderts entstanden überall in Europa und Nordamerika elektrische Schnellbahnnetze im urbanen Raum. Trotz all der Wirrungen und des Blutvergießens im zwanzigsten Jahrhundert, trotz zwei Weltkriegen, der Hyperinflation, der Weltwirtschaftskrise und der deutschen Teilung waren die Schnell- und Expressbahnen in den großen Städten immer da. Selbst jetzt während der Coronakrise stellen wir fest, dass Busse und Bahnen trotz eines massiven Einbruchs der Fahrgastzahlen gebraucht werden.

Wer jetzt noch im Berufsverkehr unterwegs ist, der kann die Arbeit nicht einfach so von Zuhause aus machen, deswegen ist es in der Frühspitze nach wie vor besonders voll. Ohne den öffentlichen Verkehr wäre selbst ein auf das absolute Minimum beschränkte öffentliche Leben nicht möglich. Deshalb ist es wichtig, auch weiterhin dafür zu sorgen, dass öffentliche Verkehrsmittel zukunftsfähig werden, wie das jetzt in Bremen passiert.

Wir wissen nicht, wie schnell wir wieder auf Vorkrisenniveau kommen werden, doch die Tendenz steigender Fahrgastzahlen, gerade im urbanen Raum, wird sich fortsetzen und zwar unabhängig von der Frage, ob wir das Niveau des Jahres 2019 schon 2021 oder erst 2025 wieder erreichen werden. Neue Triebzüge werden nicht für eine Legislaturperiode und auch nicht für eine Jahrzehnt angeschafft, sondern prägen regelmäßig über Jahrzehnte das Stadtbild und den öffentlichen Verkehr.

Da sind die Themen, die wir noch 2019 hatten, auch jetzt in der Krise wichtig: Videoüberwachung zur Beweissicherung im Fall von Straftaten wie Diebstahl oder Körperverletzung ist so ein Beispiel. Die von der ÖV-Branche verbreiteten Narrative, dass es in Bussen und Bahnen genauso sicher sei im öffentlichen Raum allgemein, nutzen dem bestohlenen Fahrgast ebenso wenig wie dem Fahrscheinkontrolleur, der von einem renitenten Schwarzfahrer angespuckt wird.

Hier muss man moderne Videoanlagen haben, die so gut sind, dass es am Ende nicht zu einem Freispruch kommt, weil der CGA-Pixelmatsch für die Beweisführung nicht ausreicht. Und es wird auch nach der Corona-Krise keine wesentlich andere demographische Entwicklung geben, allenfalls ein paar Kinder mehr als üblich.

Doch ob man nun alte Menschen mit Gehstock oder Rollator hat oder vielleicht wirklich mehr Eltern mit Kinderwagen, in jedem Fall ist die Barrierefreiheit sehr wichtig. Natürlich ist es nett, wenn ein Passant mal eben hilft, den Kinderwagen die Treppe heraufzuheben, doch stufenfreie Zugänge oder Fahrzeuge sind aus gutem Grund im Personenbeförderungsgesetz als verbindlich festgeschrieben worden und bei solchen Fragen spielt die aktuelle Corona-Thematik keine Rolle.

Die Zeiten, in denen alte Menschen in ihren letzten Lebensjahren einfach zuhause oder in irgendeinem Seniorenheim bleiben, sind zum Glück vorbei. Zu gesellschaftlichem Fortschritt gehört auch die Teilhabe derer, die nicht so gut zu Fuß sind, deshalb kann man auch hier keine Kompromiss machen. Und es tut am Ende doch gut zu sehen, dass es auch in dieser Situation eine planbare Normalität gibt.

Siehe auch: Neue Straßenbahnen für Bremen

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