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2019 – das letzte Vorkrisenjahr

30.03.20 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Bedingt durch die aktuellen Entwicklungen kommt einem das Jahr 2019, das letzte des alten Jahrzehnts, wie eine Ewigkeit vor, wie eine Rückschau in in die heile Welt. Doch gerade in der Krise zeigt sich, wie wichtig die Rolle der Eisenbahn als Verkehrsträger ist. Nicht die moralingesäuerten Predigten, wonach man möglichst mit Bussen und Bahnen fahren soll, um vermeintlich die Welt zu retten, zeigen uns diese Relevanz, sondern die Versorgung in der Krise, die Rolle der Schiene nachdem der schwarze Schwan gelandet ist.

Es gibt wieder Grenzkontrollen im Schengenraum und gleichzeitig werden bei Rewe und Edeka die Nudeln knapp? Für die Schiene kein Problem und mit einem zwinkernden Auge kann man den Transport von Hartweizenwaren auf der Schiene statt auf der Straße den Pasta-Express nennen. Und irgendwann, vermutlich erst in einigen Jahren, wird man 2019 als Referenz für das Vorkrisen-Niveau zur Rate ziehen müssen.

Das letzte Jahr, als die Welt noch in Ordnung war zeigt uns tatsächlich einiges: DB Regio konnte seinen Marktanteil wieder steigern. Hier ist jetzt Normalität eingetreten: Wir befinden uns größtenteils nicht mehr in einem Sektor, der vom Monopol zum offenen Markt transformiert, sondern der Markt schwingt sich ein. Die Neuausschreibung einer Linie ist nicht mehr gleichbedeutend mit der Betriebsaufnahme einer Wettbewerbsbahn, aber DB Regio ist nur noch ein Marktakteur von vielen und nicht mehr der „geborene Betreiber“ als gefühlt fortbestehende Bundesbahn.

Zumal der Konzern, der nach wie vor der Branchenprimus ist und bleiben wird, von den üblichen Problemen betroffen war: Der Personalmangel betrifft längst auch den Konzern, der noch vor ein paar Jahren das Narrativ verbreitet hat, als einziger in der Branche auskömmliche Löhne zu zahlen. Bei akutem Personalmangel sieht man aber, dass die Leute mitnichten alle zur DB AG wechseln, sondern dass diese zwar ein sehr guter und attraktiver Arbeitgeber ist, aber innerhalb der Branche mitnichten besser ist als die Konkurrenz.

Dabei ist der mit Corona einhergehende wirtschaftliche Abschwung genau das, worauf die gesamte Eisenbahnbranche seit Jahren hofft: Es wird Personal abgebaut, das man gezielt akquirieren kann. Gut ausgebildete und motivierte Leute müssen sich beruflich neu orientieren und das alleine verhindert bei der Eisenbahn den vollständigen Zusammenbruch.

Denn seien wir ehrlich: Diverse Leistungsausweitungen in naher Zukunft durch zusätzliche Regionlisierungsgelder und Ausschreibungsersparnisse, die auch jetzt noch liquiditätswirksam werden, brauchen Mitarbeiter, die diese Last schultern. Gleichzeitig steht zu befürchten, dass Markteinnahmen ausfallen und man anderweitig Lücken stopfen muss.

Und was passiert, wenn die Politik den öffentlichen Verkehr (wieder) als Finanzsteinbruch entdeckt? Bund und Länder können sich jederzeit kurzfristig auf eine Senkung der Gelder einigen? Wir wissen es im Moment alles nicht. Deshalb können wir im Moment einfach nur mit Besonnenheit durch die Krise steuern.

Siehe auch: DB AG legt Jahresbilanz 2019 vor

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