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Krisen und Chancen

23.03.20 (Kommentar, VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Im Moment steht alles ganz im Zeichen der Corona-Krise, doch täuschen wir uns nicht: Der normale Betriebsalltag wird schneller wiederkehren, als wir uns das im Moment vorstellen können. Vielleicht bleiben die Schulen nach den Osterferien noch eine Weile geschlossen, vielleicht öffnen sie auch sofort wieder, dennoch geht das im Moment stillstehende öffentliche Leben alsbald weiter: Menschen fahren wieder zur Arbeit, Schule, Hochschule oder Ausbildung, es wird wieder Berufsverkehr geben und vieles mehr.

Deshalb ist es so wichtig, dass man sich auch jetzt mit den Fragen des Alltags beschäftigt: Wie ist die Betriebsqualität öffentlicher Verkehrsmitteln? Fahren die Züge pünktlich, sind sie sauber und werden die bestellten Sitzplatzkapazitäten überhaupt ausreichend zur Verfügung gestellt. Natürlich wird sich die jetzige Situation im SPNV-Bericht für 2020 auswirken, dennoch kann man sich auf den langen Linien ansehen, ob es besser oder schlechter geworden ist.

Und obwohl der inzwischen 14. SPNV-Qualitätsbericht inzwischen etwas ganz normales im Frühjahr geworden ist, ist dieses Jahr soviel anders als sonst. Viele Verkehrsunternehmen, und das sieht man auch an der Nachrichtenlage hier im Eisenbahnjournal Zughalt.de, stellen dauerhaft auf Wochenend- oder Ferienbetrieb um, die Welt scheint einen Moment Pause zu machen. Dass aber diese Qualitätsbericht inzwischen eine solche Selbstverständlichkeit ist, zeigt wie erfolgreich die marktwirtschaftliche Transformation der Eisenbahn war.

Der erste Bericht dieser Form, den bundesweit zahlreiche Besteller übernommen haben, galt als Teil der Strategie im seinerzeitigen Rechtsstreit zwischen VRR und DB Regio. Liniennetze miteinander zu vergleichen, so war der Branchenkonsens (oder einfach die von DB Regio und deren Vorfeldorganisationen verbreitete Meinung), galt als unsachlich und könne ja gar nicht ernsthaft gemacht werden.

Heute sehen wir: Doch, das geht und ist inzwischen bundesweit die Regel. Es hat harte Durchsetzungskämpfe gefordert, um aus der einstigen Komfortzone herauszukommen. Klar: Direktvergaben an „die Bundesbahn“ sind für viele Besteller am einfachsten. Bis heute gibt es wohl Aufgabenträger, die sich nicht als unabhängige Bestell- und Kontrollinstanz sehen, sondern als regionale Subventionsbewilligungsstelle für „die Bundesbahn“.

Es werden jedoch weniger, weil sich die Erfolge eines regelmäßigen Controllings herumsprechen. Die Voraussetzung für eine ernsthafte Verkehrswende ist aber, dass die Qualität stimmt. Klar, im Moment ist das alles abstrakt. Man sollte dennoch nicht den Fehler machen, hier alles der aktuellen Krise unterzuordnen.

Es gilt jetzt die Chance zu nutzen, durch verminderte Leistungsangebote die Überstunden abzubauen und die Atempause zu nutzen, die die Corona-Krise mit sich bringt. Und jede Firma, die jetzt Personal abbaut muss ein potentieller Kooperationspartner für die Eisenbahnbranche sein, um potentielle Lokomotivführer anzuwerben. Nicht umsonst gibt es die Binsenweisheit, dass jeder Krise auch eine Chance innewohnt.

Siehe auch: VRR legt Qualitätsbericht für 2019 vor

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