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Die Chancen nutzen

06.02.20 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Es ist erfreulich zu hören, dass für nach BOStrab zugelassene Systeme jetzt die gleichen Erleichterungen gelten, die auch für nach EBO zugelassene Schienennetze gelten. Auch dass man bei der Förderfähigkeit nun davon absieht, dass Straßenbahnen fast vollständig auf einem eigenen Gleiskörper verkehren müssen, ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Natürlich sind Light-Rail-Netze von heute nicht mehr die im Autoverkehr mitschwimmende Tram von vor hundert Jahren, aber dennoch bleibt der Verkehr im Straßenraum die Regel. Nicht jedes Neubauprojekt, das Gleise in einer breiten Ausfallstraße vorsieht, sollte daher gleich aus dem Raster fallen. Denn auch wenn das vielen nicht klar ist, aber natürlich bringt eine Straßenbahn mehr Fahrgäste als ein Doppelgelenkbus.

Ist es irrational, wenn Menschen eine Tram als höherwertiger ansehen? Mit Sicherheit, aber wir können das nicht ändern. Es ist eben so. Mit zusätzlichen Geldern, die zudem einfacher abzurufen sind, sollte man sich Gedanken machen, inwieweit es möglich ist, zahlreiche Straßenbahnstrecken, die in der Bonner Republik das Opfer autogerechter Städte wurden, wieder reaktivieren zu können.

ei so manchen Verbindungen ärgert man sich heute, dass es sie nicht mehr gibt. Nun kann man einstige Fehlentscheidungen womöglich korrigieren. Und seien wir ehrlich: Wenn man Jahrzehnte braucht, um ein paar Kilometer Straßenbahngleise zu planen und zu bauen, dann wird es keine Verkehrswende geben. Das gilt auch, wenn man die Planungszeiten für ein Projekt wie den Rhein-Ruhr-Express oder die zweite Stammstrecke in München nicht mehr in Jahrzehnten, sondern in Generationen messen muss.

Erinnern wir uns: Der Transrapid im Ruhrgebiet sollte zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 fahren, die Volleinführung des als abgespeckten Ersatzkonzeptes vorgesehenen Rhein-Ruhr-Express wird sich bis in die 2030er Jahre ziehen. Ein während des Turniers geborenes Baby ist dann erwachsen. Hier besteht eine Menge Handlungsbedarf und dafür müssen sich die Planungsabteilungen ebenso aufstellen wie die Bauwirtschaft.

Nicht nur die Deutsche Bahn braucht mehr Ingenieure und Architekten, auch die kommunalen Planungsämter und Verkehrsbetriebe dürfen die zusätzlichen Möglichkeiten nicht verfallen lassen, weil es keine Vorratsplanungen gibt und man nichts hat, was man bauen könnte. Es ist wie so oft im Leben: Die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für einen besseren ÖPNV können im Bundestag und in den Landtagen beschlossen werden.

Die konkrete Umsetzung braucht kluge Köpfe vor Ort in den Verkehrsverbünden und den Kommunen. Hier muss man ideologiefrei und konstruktiv zusammenarbeiten. Die Aufgabenträger des SPNV mit den Infrastrukturunternehmen der DB AG ebenso wie die kommunalen Verkehrsunternehmen untereinander. So kann man, immer das gemeinsame Ziel vor Augen, viel gutes schaffen. Über mangelnde Unterstützung der „großen Politik“ kann sich jetzt aber vor Ort niemand mehr beklagen.

Siehe auch: Bundestag beschließt Investitionsoffensive

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