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Der Verkehrsinfarkt ist real

30.01.20 (Kommentar, Stuttgart) Autor:Stefan Hennigfeld

Sehen Sie sich diese Zahlen in aller Ruhe an. Bis 2030 – und das mag nach ferner Zukunft klingen, ist aber in lächerlichen zehn Jahren, soll sich das Verkehrsaufkommen im Stuttgarter ÖPNV mehr als verdoppeln. Da reicht es nicht, wenn man auf irgendeiner S-Bahnstrecke drei Weichen für mehr Betriebsstabilität einbaut, sondern hier muss der große Wurf her.

Und damit ist gerade nicht Stuttgart 21 gemeint (sollte das nicht 2017 in Betrieb gehen?), sondern das Gegenteil. Wir brauchen in allen Metropolregionen unserer Republik Großprojekte, die der Schiene einen Nutzen bringen. Bei Stuttgart 21 ist gerade das genau nicht der Fall. Kann man wohl jetzt noch aussteigen aus dem Projekt? Rüdiger Grube, der einen Gesichtsverlust befürchten müsste, ist ja jetzt nicht mehr da und politische Akteure wie Stefan Mappus und Tanja Gönner gehören ebenfalls der Vergangenheit an.

Selbst wenn die Ausstiegskosten hoch sind, ist irgendwann der Punkt gekommen, wo man aufhören muss, schlechtem Geld immer mehr gutes Geld hinterher zu werfen. Denn Stuttgart muss sowohl beim Autoverkehr als auch beim ÖPNV richtig was bewegen. Das zeigt im übrigen auch, dass von einer echten Verkehrswende, die im großen Stil Verkehr vom Auto auf die Schiene verlagert, keine Rede sein kann und auch nicht sein sollte.

Öffentliche Verkehrsmitel haben nicht die Kapazitäten, viele Umsteiger aufzunehmen. Erstmal sollte man sich darauf konzentrieren, dass man die mit dem Gesamtmarkt mitwachsenden zusätzlichen Massen bewältigen kann. Das gilt überall in Deutschland. Die Urbanisierung setzt sich fort, aber es kann und will nicht jeder innenstadtnah wohnen. Man muss also den Regionalverkehr aus den umliegenden Mittelzentren für Pendler so ausbauen, dass deutlich mehr Menschen fahren können.

Es muss auch baupolitisch entsprechend was getan werden. Dann hat man halt reine Schlafstädte, also solche, in denen die Menschen ihre Feierabende verbringen, während der berufliche Mittelpunkt woanders ist. Was spricht dagegen, dass auch Neubauten wieder sieben statt drei Obergeschosse haben? Gerade heutzutage, wo alles mit einem Aufzug ausgestattet ist, braucht man solche Beschränkungen nicht.

Und wenn man Trabantenstädte dieser Art plant (Noch so ein Begriff aus den 1970er Jahren, an dem aus meiner Sicht gar nicht so viel falsches ist), dann gilt es, die Schiene mit einzubeziehen. Dann fährt die U-Bahn eben drei Stationen weiter und die S-Bahn endet nicht mehrere Kilometer vor dem Neubaugebiet, weil man nicht in der Lage ist, diese bis rein in die Siedlung zu führen. Das ist eine Erkenntnis, die muss sich überall separat durchsetzen.

Aber umso wichtiger ist in Stuttgart, dass der Regionalverband kein reiner SPNV-Aufgabenträger ist, sondern sich bei der Raumordnungsplanung beteiligen kann. Die Zahlen liegen auf dem Tisch, der Prozess der Verkehrszunahme wird auch 2030 nicht abgeschlossen sein, sondern weitergehen. Jetzt gilt es, den Sonntagsreden über einen besseren Schienenverkehr Taten folgen zu lassen.

Siehe auch: Zunehmender Verkehr in der Region Stuttgart

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