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Wo kommen die Leute her?

21.10.19 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Das klingt ja supertoll: Wir vervielfachen die Fahrgastzahlen (was auch bitternötig ist, wenn man ernsthaft eine Verkehrswende auf die Beine stellen möchte), wir erhöhen die Regionalisierungsgelder außerplanmäßig und überhaupt geht es jetzt mal richtig los. Tatsache ist aber auch, dass die Regionalisierungsgelder vor erst zwölf Jahren gesenkt worden sind.

Gut, eigentlich hat nur ein Teil der Geldflüsse zwischen Bund und Ländern seine Zweckbindung verloren, aber wir alle wissen, dass die Länder da nicht so gerne drüber sprechen. Seltsamerweise hat die Eisenbahnbranche hier in den letzten Jahren einseitig Länderpositionen vertreten und nicht bzw. viel zu selten an die gesamtstaatliche Aufgabe appelliert.

Nun kommen also zusätzliche Gelder und damit kann man einiges machen: So manch eine Strecke lässt sich reaktivieren und der Betrieb wäre auch hinterher finanzierbar. Denn diese Erhöhung folgt auf eine lange Dürrephase, das darf man auch nicht vergessen. Hier schüttet keiner gnädigerweise das Füllhorn aus, sondern es geht um Geld, das für die öffentliche Daseinsvorsorge notwendig ist.

Dazu kommt, dass in den letzten Jahren die zahlreichen großen Verkehrsausschreibungen liquiditätswirksam geworden sind. Die nach der Jahrtausendewende überall gemachten großen Direktvergaben an die DB AG sind ausgelaufen, einseitige Vertragsverlängerungen waren nach dem Abellio-Urteil nicht mehr möglich und so ernten wir jetzt die Früchte marktwirtschaftlicher Politik. Es ist also real auf vielen Ebenen Geld vorhanden.

Auf einmal ist auch der Endausbau der Rhein-Ruhr-Express gar nicht mehr so illusorisch, wie es noch vor einigen Jahren schien. Denn natürlich ist die Frage, wie denn hinterher der Betrieb auf der neuen Infrastruktur bestellt werden soll, von besonderer Relevanz. Inzwischen haben wir ein anderes Thema, über das wir dringend sprechen müssen: Wer soll denn bitte die Züge fahren? Wo sollen die Mitarbeiter herkommen, die am Ende die Ausweitungen des Marktvolumens durch zusätzliche Fahrten auch im Alltag durchführen?

Bereits heute ist der Lokomotivführermangel ein bundesweites und unternehmensübergreifendes Thema in der Branche. Es ist nicht Schienen-Schulz oder Eisenbahn-Müller, wo man irgendwas nicht auf die Reihe kriegt, sondern in Sachen Personalmanagement findet im Moment nur eine branchenweite Mangelverwaltung statt. Hier muss sich also sehr kurzfristig was tun.

Was in der Eisenbahnbranche keiner sagt, aber worauf man dennoch spekuliert, ist ein konjunktureller Abschwung. Dass die Industriebetriebe im Land ihren Personalbedarf senken, dass es vielleicht sogar Sozialpläne gibt, Auffanggesellschaften bis hin zu knallharten betriebsbedingten Entlassungen.

Dann ist der Pool der potentiellen Bewerber wieder größer als jetzt. Und so zynisch das klingen mag, aber in der jetzigen Arbeitsmarktsituation, in der so gut wie jedes Unternehmen massive Probleme hat, seine offenen Stellen zu besetzen, kann man keine Leistungsausweitungen machen. Jetzt stünden nur zusätzliche Züge im Fahrplan, die dann doch nicht fahren würden.

Siehe auch: Begünstigungen für die Schiene geplant

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