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Die intuitive Nutzung

02.10.19 (Kommentar, VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Wenn man sich als Laie das Tarifmodell des VRR anguckt, dann ist es durchaus möglich, dass man einen Schreck kriegt: Wer soll das denn bitte verstehen? Zugegeben, es ist durchaus logisch, gerade wenn man weiß, dass sich viele über die Jahrzehnte aufeinander aufgebaut hat. Dazu kommt, dass ja erst vor einigen Jahren auch eine Vereinfachung stattgefunden hat. Trotzdem ist es für Gelegenheitsfahrer oft nicht einfach, zu wissen, welchen Fahrschein man braucht und ab welcher Stelle man womöglich nicht mehr weiterfahren kann.

Dazu kommt, dass es in nicht wenigen Verkaufsagenturen (Lottobuden, Tankstellen etc.) Personal gibt, das nicht ausreichend für den Vertrieb von ÖPNV-Fahrscheinen qualifiziert ist. Und wer einmal versehentlich zum Schwarzfahrer wurde, weil man für ein Einzelticket von Witten nach Bochum eine zu geringe Preisstufe bekommen hat, der ist wahrscheinlich auf Dauer als potentieller Fahrgast verloren.

Im Zeitalter der Smartphones ist es da naheliegend, dass man – unter Einhaltung der entsprechenden Datenschutzbestimmungen – ein einfaches Ein- und Ausloggen ermöglicht. Das ist die Form der intuitiven Benutzung, von der viele seit Jahrzehnten träumen. Einfach einsteigen und losfahren. Gibt es noch einen Verkehrsträger, bei dem man einfach einsteigen und losfahren kann? Ja, gibt es. Das (eigene) Auto.

Mit diesem steht der Systemverbund ÖPNV stets in direkter Konkurrenz, denn wenn man ernsthaft eine Verlagerung auf Busse und Bahnen will, dann muss sich auch für solche Menschen attraktiv machen, die nicht zwingend drauf angewiesen sind und gerade an die richtet sich ja das nextTicket. Wer ohnehin jeden Tag mit der S-Bahn zur Arbeit fährt, der hat sein Monatsticket und der braucht sowas nicht.

Am Ende würde das nextTicket vermutlich im Sinne der Bestpreisabrechung den Preis für das Monatsticket verlangen, dann kann man sich das auch direkt kaufen. Ein solches Angebot richtet sich an Menschen, die nicht so häufig fahren. Ein großes Kundenpotential besteht aus denen, die hin und wieder mal am Samstag mit der S-Bahn in die Stadt fahren oder am Wochenende abends vielleicht im Bochumer Bermuda3Eck sind und dann gemütlich nach Hause kommen wollen. Gerade für die ist die dahinterstehende Idee ausgesprochen vorteilhaft.

Die subjektiven Zugangshemmnisse („Zugfahren? Ich weiß doch gar nicht, wie das geht!“) verschwinden, wenn man sich diese App einfach auf dem Smartphone installiert. Das gilt gerade für ältere Generationen, die sich vor Jahrzehnten mit Graus von der zum Glück lange überwundenen Behördenbahn abgewandt haben und die man jetzt zurückgewinnen kann.

Mit den Silversurfern gibt es eine ganze Generation älterer Menschen, für die der Umgang mit Computer und Smartphone selbstverständlich geworden ist. Die muss man aber dort abholen, wo sie sind und eine Technologie wie das nextTicket im VRR kann der Schlüssel dafür sein. Deshalb hoffe ich persönlich auf einen erfolgreichen Feldversuch 2020 und auf eine rasche vollständige Markteinführung.

Siehe auch: VRR: nextTicket 2.0 startet im neuen Jahr

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