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Alle sind gefordert

23.09.19 (VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Auch wenn ein Eisenbahnverkehrsunternehmen für den Fall einer Vertragskündigung nicht mehr damit drohen kann, seine Züge zu nehmen und den Betrieb einzustellen, so bedeutet eine hohe Eskalation, wie wir sie hier erleben, immer auch ein gigantisches Risiko für alle Seiten. Was passiert denn, wenn der VRR jetzt eine Neuausschreibung für 2021 macht und im Jahr 2022, wenn der Prozess zwischen der Eurobahn und dem VRR durch die Instanzen gegangen und rechtskräftig abgeschlossen sein wird, stehen auf einmal zwei Auftragnehmer da und verlangen Geld? Wie würden Abellio, DB Regio, die Nordwestbahn, National Express oder wer auch immer in so einem Fall reagieren?

Das Risiko, das ein Prozess im Falle einer Nichteinigung mit sich bringt, ist sehr wahrscheinlich allen Seiten bewusst. Meine persönliche Prognose lautet daher: Man wird sich einigen. Vielleicht geht der Betriebsstart etwas später, womöglich im Dezember 2020, entsprechend verkürzt sich auch der Auftrag für die Eurobahn, aber dafür ist gewährleistet, dass man ab dem 15. Dezember noch einen ordnungsgemäßen Eisenbahnverkehr auf den so wichtigen Ruhrgebietslinien S1 und S4 sichergestellt kriegt.

Denn das ist das allerwichtigste und dieses gemeinsame Ziel sollte für alle in welcher Form auch immer beteiligten Parteien von höchster Priorität sein. Denn seien wir ehrlich: Die Schiene hat sich mit der Eisenbahnreform und der Regionalisierung erst mühsam von ihrem schlechten Ruf befreit, sie sei als Verkehrsträger unzuverlässig. Das darf man nicht einreißen lassen. Aber für Zuverlässigkeit sorgt in der Tat auch ein regelmäßiges Controlling durch die Aufgabenträger.

Das ist, ganz gleich, wer im konkreten Fall welche Rechtsauffassung vertritt, einer der größten Erfolge der Eisenbahnreform. Die alte Behördenbahn konnte tun und lassen, worauf sie Lust hatte. Bei Personalmangel wurde so eine Strecke dann mal eben stillgelegt und keiner hatte irgendeine Möglichkeit des Eingriffes. Bei der heutigen Organisation des Eisenbahnverkehrs gibt es eine ausschließlich gemeinwirtschaftliche Interessen vertretende Stelle – den Aufgabenträger – der genau dafür da ist.

Das macht der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr vorbildlich und das ist grundsätzlich sehr schön. Nun kann ich an dieser Stelle nicht beurteilen, welche Rechtsauffassung vor Gericht welche Chancen haben könnte. Meine Prognose ist im übrigen, dass es eine Einigung geben wird. Aber dass der Aufgabenträger so ein umfassendes Controlling durchführt, ist zu befürworten. Manch andere Aufgabenträger sollten sich da ein Beispiel dran nehmen.

So eine Zuschlagserteilung ist kein Freibrief, sondern noch während der Vorbereitungen der Betriebsaufnahme bis zum täglichen Eisenbahnbetrieb ist der Aufgabenträger die Kontrollinstanz, die eingreifen muss, wenn es Probleme gibt. Und es ist die Aufgabe einer ganzen Branche, ein solches Problem zu lösen. Auch andere Unternehmen können sich einbringen und Unterstützung anbieten. Es geht aktuell um nichts weniger als die Stellung der Eisenbahn im Wettbewerb der Verkehrsträger.

Siehe auch: VRR und Eurobahn: Zweite Runde im Streit

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