Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

Von #Flugscham allein kommt kein Deutschlandtakt

05.08.19 (Fernverkehr, Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Wenn der Eisenbahnbranche in Deutschland nichts einfällt außer dem strunzdämlichen Hashtag #Flugscham, dann hat der Verkehrsträger Schiene ein erhebliches Problem. Denn mit moralimperialistischen Parolen löst man die strukturellen Probleme insbesondere im SPFV nicht, sondern sorgt allenfalls für Erheiterung. Die Schiene muss sich was einfallen lassen, wie man gegen Auto und Flugzeug bestehen möchte.

Dazu reicht es nicht, höhere Kosten für den Flugverkehr zu fordern, sondern man muss eigene starke Konzepte vorlegen. Ein solches könnte der Deutschlandtakt sein. Doch hier fehlt der Eisenbahnbranche wiederum der Mut, klar auszusprechen, dass es völlig unergiebig ist, diesen Deutschlandtakt immer wieder in irgendwelche Koalitionsverträge zu schreiben, wenn sonst nichts passiert.

So manch einer zieht einen Eurowings-Flug deshalb der DB AG vor, weil die Verspätungen im SPFV vielfach auch mit Entschädigungen nicht tragbar sind. Was nutzt mir eine Rückerstattung, wenn mal eben ein halber Tag verloren ist, weil es da einen Kupplungsschaden gibt, hier ein Türstörung und da wieder irgendwas anderes ist? Und was passiert, wenn ich erst eine lange Anfahrt mit dem Regionalverkehr habe, um überhaupt zum nächsten SPFV-Zugangspunkt zu kommen?

Hier müsste ein Deutschlandtakt aber ansetzen. Wie reagiert man jetzt, wenn die DB Fernverkehr AG nicht bereit ist, hier eigenwirtschaftlich zu fahren? Natürlich gibt es immer wieder Aufgabenträger, die sich auf unbürokratische und pragmatische Lösungen einlassen, indem sie ihre Regionalisierungsgelder zweckentfremden und den SPFV alimentieren. Bislang hat das überall dort geklappt, wo es unbeklagt blieb, aber mehrfach haben auch Vergabekammern solchen Deals einen Riegel vorgeschoben; wenn auch bislang nur unterinstanzlich.

Aber der große Wurf, nämlich bestellten Fernverkehr einzuführen, der wird von den einschlägigen Verbänden bislang vermieden. Pro Bahn traut sich hin und wieder aus der Deckung, steht aber im Vergleich zu den größeren Organisationen wie der Allianz pro Schiene oder dem VDV bislang allein auf weiter Flur. Ob der hohe Finanzierungsanteil der DB AG an den beiden Verbänden hier eine Rolle spielt, sei dahingestellt. Möglicherweise ist es auch die Bundesbahn-Romantik der Verantwortungsträger.

Tatsache aber ist, dass der Deutschlandtakt nicht auf Basis eigenwirtschaftlicher Angebote kommen wird. Und der SPFV ist gemessen am gesamten Personenverkehrsmarkt in Deutschland auch ein so großer Batzen, dass es schon aus ordnungspolitischen Gründen nicht akzeptabel ist, diesen vom Wettbewerb zugunsten der DB AG auszunehmen.

Kleinere Versuche wie jetzt den Flixtrain oder früher den InterConnex, HKX oder was auch immer waren und sind nicht in der Lage, die Monopolstrukturen aufzubrechen. Gleichzeitig ist kein Aufgabenträger da, der über die Qualität wacht – was im Regionalverkehr der große Erfolgsfaktor ist. All das muss man sich vergegenwärtigen und aussprechen. Ansonsten bleibt es bei unfreiwillig komischen Hashtags.

Siehe auch: Debatte um Umsatzsteuer-Befreiung

Kommentare sind geschlossen.