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Streckenreaktivierung in Niedersachsen

18.07.19 (Niedersachsen) Autor:Stefan Hennigfeld

Nach 45 Jahren fahren wieder Personenzüge zwischen Bad Bentheim, Nordhorn und Neuenhaus. Nur vier Jahre nach der Entscheidung des Landes, die Relation für den Nahverkehr zu reaktivieren, gab Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) letzte Woche in Bad Bentheim offiziell den Startschuss für die Wiederaufnahme des Schienenpersonennahverkehrs.

„Egal ob auf dem Land oder in der Stadt: Mobilität ist für die Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen ein Stück Lebensqualität. Wir wollen alle Regionen in den öffentlichen Personennahverkehr mit einbeziehen – vor allem auf dem Land braucht es hierfür eine gute Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Denn nur so stärken wir den Bahnverkehr in Niedersachsen“, betonte Althusmann.

Besteller des Angebotes, das einen Fahrplan von jährlich 330.000 Kilometer umfasst, ist die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG). LNVG-Chefin Carmen Schwabl sprach am Mittwoch von einem „Kraftakt“, an dem viele mitgewirkt hätten und ohne den die frühe Betriebsaufnahme nicht möglich gewesen wäre.

Die LNVG hat sich für die nächsten zwanzig Jahre verpflichtet, Personenzüge auf der Strecke zu bestellen und wird dafür jährlich einen hohen einstelligen Millionenbetrag zahlen. Steuergeld, das nach Überzeugung Schwabls gut angelegt ist: „Wir motivieren damit mehr Menschen in der Grafschaft zum Bahnfahren“. Im Stundentakt verbinden fünf hochmoderne Triebfahrzeuge vom Typ Coradia LINT 41 Bad Bentheim mit Nordhorn und Neuenhaus.

Nordhorn ist damit – als letzte deutsche Kreisstadt mit über 50.000 Einwohnern – an den Bahnverkehr angeschlossen. Für die Bentheimer Eisenbahn ist das Reaktivierungsprojekt „Projekt Regiopa“ das größte Vorhaben in der Unternehmensgeschichte. Vorstand Joachim Berends sieht darin die richtige Antwort auf das veränderte Mobilitätsverhalten in unserer Gesellschaft.

„Immer mehr Menschen möchten umweltfreundlich mobil sein und die Zeit unterwegs sinnvoll nutzen. Zudem steigern wir mit der neuen Bahnanbindung auch die Attraktivität der Grafschaft für Familien, Unternehmen und Touristen“, erklärt Berends. Neben der 28 Kilometer langen Strecke wurden die zwei Bahnhöfe in Bad Bentheim und Neuenhaus bereits revitalisiert, die Bauarbeiten zum Bahnhof Nordhorn beginnen im Laufe dieses Jahres. Zudem wurden drei neue Haltepunkte in Quendorf, Nordhorn-Blanke und Neuenhaus Süd errichtet.

Erfreut zeigt sich auch der Verkehrsclub Deutschland in Niedersachsen. Dieser begrüßt die Wiederaufnahme des Personenverkehrs auf der Bentheimer Eisenbahn zwischen Bad Bentheim und Neuenhaus über Nordhorn. VCD-Landesvorsitzender Martin Mützel: „Der Schritt kommt spät, geht aber genau in die richtige Richtung. Eine Stadt in der Größe von Nordhorn braucht eine attraktive Bahnanbindung. Weitere Strecken müssen folgen.“ Mittelfristig müsse die Verbindung nach Coevorden und Emmen in die Niederlande verlängert werden.

Mützel: „Europa muss auch auf der Schiene zusammenwachsen!“ Zudem hofft der VCD, dass auch die derzeit unterbrochene Verbindung Leer – Groningen möglichst bald wieder in Betrieb gehen kann. Nachdem bereits seit letztem Dezember wieder Züge nach Einbeck fahren, erkennt der VCD eine klare Wende zugunsten der Erschließung von Mittelstädten.

Die niedersächsische Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) hatte sich in den vorigen zwei Jahrzehnten überwiegend um die Hauptstrecken bemüht und dort auch Erfolge erzielt; darüber wurden nach Ansicht des VCD aber die ländlichen Räume vernachlässigt. Der VCD fordert, auch weitere Strecken wie Stade – Bremervörde – Bremen (Moorexpress) oder Rinteln – Stadthagen wieder im Personenverkehr zu bedienen.

Für weitere Wiederinbetriebnahmen muss auch die bisherige Wirtschaftlichkeitsberechnung nach der Standardisierten Bewertung überarbeitet werden. „Das Verfahren rechnet viele Bahnstrecken systematisch schlecht“, kritisiert Mützel. Es wurde für Verkehre in Ballungsräumen entwickelt und unterschätzt die Nachfrage, den strukturellen Nutzen und die touristische Bedeutungen von Strecken im ländlichen Raum.

Da Niedersachsen zur Zeit der alten Bundesbahn von überdurchschnittlich vielen Streckenschließungen betroffen war, stand das Land in den Anfangsjahren der Eisenbahnreform entsprechend schlecht da. Seit einigen Jahren und der Reform der Verteilung der Regionalisierungsgelder gibt es in Niedersachsen allerdings Tendenzen zu Reaktivierungen.

Siehe auch: Den vollen Nutzen entfalten

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