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Verbände fordern Reaktivierungsprogramm

27.05.19 (Allgemein) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Allianz pro Schiene und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) fordern ein umfassendes Programm zur Reaktivierung von Eisenbahnstrecken. „Die Schiene kommt zurück in Regionen, die lange verwaist waren“, sagte Dirk Flege von der Allianz pro Schiene auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem VDV. „Im Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung eine Verdopplung der Fahrgastzahlen vorgenommen. Wenn wir das erreichen wollen, müssen wir den langjährigen Rückzug der Schiene aus der Fläche stoppen und ihn an geeigneten Stellen rückgängig machen“, so VDV-Präsident Ingo Wortmann.

Allianz pro Schiene und VDV stellen eine wachsende Bereitschaft für die Reaktivierung von Strecken im deutschen Schienennetz fest: „Zunehmend werden stillgelegte Verbindungen reaktiviert, weil die Bürger für ihre Fahrten und Unternehmen für ihre Gütertransporte den Eisenbahnverkehr wollen“, betonte Flege. „Eine von der Bundesregierung beauftragte Studie belegt zudem, dass die Reaktivierung von Schienenstrecken aus Umweltgründen sinnvoll ist“, so Wortmann weiter.

Die beiden Bahnverbände weisen zudem darauf hin, dass es in den letzten Jahren bereits eine Reihe erfolgreicher Reaktivierungsbeispiele gab. „Für den Schienensektor machen die vielen gelungenen Reaktivierungen Mut für die Zukunft und Lust auf mehr“, so Flege. „Zahlreiche reaktivierte Verbindungen werden außerordentlich gut angenommen. Die beeindruckenden Erfolge zeigen, welch gute Zukunft die Eisenbahn in Deutschland mit dem nötigen politischen Willen hat.“

Als Beispiele nannte Flege Länder wie Niedersachsen, Hessen oder Baden-Württemberg, die auf Reaktivierungen setzten. „Einzelne Bundesländer schreiten voran und demonstrieren, dass Reaktivierungen den Schienenverkehr nach vorne bringen können. Dem müssen nun die noch zögerlichen Bundesländer folgen.“

Laut Deutschland-Karte der Allianz pro Schiene wurden zwischen 1994 und 2019 insgesamt 827 Kilometer an Verbindungen für den Personenverkehr und 359 Kilometer für den Güterverkehr wieder in Betrieb genommen. Allerdings wurden in diesem Zeitraum mit über 3.600 Kilometern deutlich mehr Strecken im Personenverkehr abbestellt als reaktiviert. Beim Güterverkehr fällt der Saldo ebenfalls klar negativ aus.

Insgesamt hat das Schienennetz derzeit eine Streckenlänge von rund 38.500 Kilometer – im Bahnreform-Jahr 1994 waren es noch 44.600 Kilometer. „Dieser Schrumpfprozess muss endlich gestoppt werden“, forderte Flege. „Die bereits erfolgreichen Reaktivierungen machen zwar Mut, aber der Handlungsbedarf bleibt gewaltig. Die gute Nachricht: das Potenzial für weitere Reaktivierungen ist groß“, erklärte Wortmann.

Der VDV hat eine umfangreiche Liste mit Reaktivierungsvorschlägen erarbeitet. Insgesamt kommt der Branchenverband dabei auf 186 Strecken mit 3.072 Kilometern Länge. Auf einer Deutschland-Karte wird deutlich, dass überall Reaktivierungspotenzial im Schienennetz vorhanden ist. Sowohl Allianz pro Schiene als auch VDV betonten, dass angesichts steigender Fahrgastzahlen und Gütertransporte das Schienennetz dauerhaft gesichert und ausgebaut werden muss. „Deutschland braucht dringend deutlich höhere Investitionen in die Eisenbahn-Infrastruktur, um mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen“, sagten Flege und Wortmann abschließend.

Lob für die Forderung kommt von Matthias Gastel, eisenbahnpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Bundestag. „VDV und Allianz pro Schiene tragen mit dem Reaktivierungsprogramm einen wichtigen Baustein zur Verkehrswende bei. Wir brauchen auch abseits der Bahnmagistralen künftig mehr Schienenverkehr, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen. Der jahrzehntelange Rückzug der Schiene aus der Fläche muss gestoppt und mit Streckenreaktivierungen umgekehrt werden. Besonders für die vom Schienenverkehr abgehängten touristischen Regionen bergen revitalisierte Bahnstrecken auch regionalpolitische Chancen.“

Gastel: „Die vor allem seit der Bahnreform von Kommunen und Ländern angeschobenen Wiederbelebungen von Eisenbahnstrecken zeigen mit ihrer starken Fahrgastnachfrage, dass regionaler Schienenverkehr Zukunft hat. Die Bundesregierung muss jetzt ein Reaktivierungsprogramm als Teil einer ,Investitionsoffensive Bahn vorlegen. Damit den neuen Regionalbahnen in Zukunft nicht buchstäblich der Weg verbaut wird, ist es notwendig, dass Bund und Länder in einem ersten Schritt alte Bahntrassen in ihrem Bestand sichern.“

Siehe auch: Die Schiene stärken

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