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Gemeinsame Tram-Train-Bestellung

18.03.19 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Fünf deutsche Verkehrsunternehmen werden gemeinsam insgesamt 240 Triebzüge mit Straßenbahn- und Eisenbahnzulassung bestellen. Einen entsprechenden Vertrag haben Vertreter der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG), der Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK), der Erms-Neckar-Bahn AG (ENAG), der Saarbahn Netz GmbH und des Verkehrsverbunds Mittelsachsen (VMS) letzte Woche in Karlsruhe unterschrieben. Seit Juli 2017 arbeiten die Partner bereits unter der Leitung von Thorsten Erlenkötter (VBK) zusammen im Projekt „VDV Tram-Train“.

„Das Lastenheft für unsere Tram-Trains ist fertig. Nach der Sommerpause wollen wir EU-weit ausschreiben“, gibt AVG- und VBK-Geschäftsführer Ascan Egerer einen zeitlichen Ausblick. VBK und AVG als größte Fahrzeugabnehmer (ca. 150 Fahrzeuge) werden gemeinsam das Vergabeverfahren stellvertretend für alle Projektpartner durchführen. Die Bestellmengen sind noch abhängig vom Fortgang der Vertragsverhandlungen über die Verkehrsleistungen. Die fünf Unternehmen haben zusammen ein Standardfahrzeug entwickelt, das bei dem künftigen Hersteller voraussichtlich rund 240 Mal vom Band rollen kann.

„Wir haben lange getüftelt und uns so weit wie möglich angenähert“, erklärt Projektleiter Thorsten Erlenkötter. In den Regionen Karlsruhe, Saarbrücken, Chemnitz und Neckar-Alb, in denen die Betreiber Stadtbahnverkehr anbieten, bekommen alle Bahnen den nahezu identischen Wagenkasten. Auch fast gleich ist das Antriebs-, Ausfall- und Sicherheitskonzept. „Wir sparen pro Fahrzeug etwa eine Million Euro“, betont Erlenkötter.

Erlenkötter: „Dieser niedrigere Stückpreis ergibt sich daraus, dass die Einmalkosten für die Entwicklung und Zulassung des Standardfahrzeugs auf eine deutlich höhere Stückzahl an Fahrzeugen verteilt werden können.“ Vom Basisfahrzeug leiten sich Varianten für die jeweiligen Verkehrsunternehmen ab. So unterscheidet sich beispielsweise die Einstiegshöhe für den barrierefreien Zugang in die Bahnen in den verschiedenen Betreiberstädten.

Die VBK wünschen sich, anders als die vier Stadtbahnbetreiber im Projekt, als Variante ein Einsystem-Niederflur-Fahrzeug als Ersatz für die bisherigen Tram-Bahnen. Außerdem wollen die Projektpartner alle eine individuelle Ausstattung und Züge in den jeweiligen Unternehmensfarben. „Wir wollen dafür einen Fahrzeugkonfigurator nutzen – ähnlich wie in der Autoindustrie“, sagt Erlenkötter.

„Die Reduzierung des Tram-Train-Fahrzeugpreises ist ein ganz wesentlicher Beitrag zur Zukunftssicherung unseres Karlsruher Modells ebenso wie der Regionalstadtbahnmodelle der Projektpartner aus Saarbrücken, Chemnitz und dem geplanten Modell in der Region Neckar-Alb“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende von AVG und VBK, Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (CDU).

Die Tram-Trains sind im Vergleich zu Vollbahnfahrzeugen (nur Eisenbahn) in den letzten Jahren sehr teuer geworden. Das bedingt die verbaute Zweisystemtechnik, mit der sie sowohl auf Eisenbahnstrecken als auch innerstädtisch als Straßenbahn fahren können sowie die aufwendigen Zulassungsverfahren.

„Wir sind überzeugt von diesem Modell, das den Menschen umsteigefreie Verbindungen aus der Region direkt in Innenstadt bietet, und ich bin froh, dass es uns gelungen ist, einen Weg zu finden, wie wir mit den Tram-Trains wettbewerbsfähig bleiben können.“ Durch die Standardisierung werden die Fahrgäste deutlich schneller von modernen, barrierefreien Fahrzeugen profitieren, was einen weiteren großen Vorteil der Kooperation darstellt

„Wir schicken die erste Bahn in die für neue Schienenfahrzeuge übliche Zulassung und wollen für alle weiteren Züge, die vom Band rollen, eine Zulassung nach dem Konformitätsprinzip erwirken – eventuell abhängig von den jeweiligen Varianten. Das geht deutlich schneller als wenn sie alle einzeln den Prozess durchlaufen müssten“, erklärt Projektleiter Erlenkötter.

Sind die ersten Tram-Trains dann voraussichtlich ab 2025 im Einsatz, wollen die Kooperationspartner auch langfristig von der Standardisierung profitieren, indem sie gemeinsame Instandhaltungsaufträge erteilen oder Ersatzteile in großer Stückzahl gemeinsam bestellen und dadurch auch langfristig niedrigere Preise erwirken.

„Der VDV Tram-Train ist eine Erfolgsgeschichte. Was vor über 25 Jahren hier als „Karlsruher Modell“ begann, dient inzwischen vielen Städten im In- und Ausland als Vorbild für den Aufbau eigener Zweisystembahnen“, sagt Ulrich Weber, Geschäftsführer der VDV-Landesgruppe Baden-Württemberg.

Siehe auch: Auch die kommunale Schiene liberalisieren

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