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An der Realität vorbei

04.02.19 (Güterverkehr, Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

In den kommenden Jahren wird das Verkehrsaufkommen weiter wachsen. Es mag die eine oder andere Wachstumsdelle geben, aber das heißt letztlich nur, dass die Steigerung nicht ganz so krass ausfällt. Letztlich geht das Marktvolumen nach oben und wenn die Schiene mit dem Gesamtmarkt mitwächst, so ist das realistischerweise bereits als Erfolg zu betrachten. Auch wenn viele es nicht hören möchten, aber eine großflächige Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene wird es nicht geben.

Es fehlt dafür der politische Wille, der jenseits aller Sonntagsreden eben gerade nicht erkennbar ist. Und darüber hinaus ist die Eisenbahn als solche weder infrastrukturell noch personell in der Lage, stärker als der Markt zu wachsen.Schon heute sind die Rangierbahnhöfe überfüllt und es fehlen Trassenslots auf wichtigen Strecken. Züge kommen nicht ausreichend durch und Infrastrukturprojekte dauern in unserer Republik nicht mehr Jahrzehnte, sondern Generationen.

Kaum zu glauben, dass man das deutsche Eisenbahnnetz ab 1835 innerhalb weniger Jahre vollständig aufgebaut hat. Heute wäre ein solches Engagement völlig undenkbar. Dazu kommt das Personalproblem. Im Regionalverkehr fallen bundesweit und unternehmensübergreifend Züge aus. Da ist das Marktvolumen durch die höheren Regionalisierungsgelder gestiegen und im Ergebnis muss man leider konstatieren, dass die gesamte Eisenbahnbranche mit dieser Situation völlig überfordert ist.

Jetzt stehen aber die Güterverkehrsunternehmen und die Regionalverkehrsunternehmen auch untereinander im Wettbewerb um gute Mitarbeiter. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass auch die Gütersparte ähnliche Probleme kriegen wird. Wer soll die Züge denn fahren? Es gibt jedenfalls keinen Grund zu der Annahme, dass etwas, das im Regionalverkehr nicht klappt, nämlich die Vorhaltung eines Personalstammes, der der Marktgröße angemessen ist, im Güterverkehr auf einmal funktioniert.

Dazu kommt, dass das Marktvolumen ja ohnehin wächst, das Ziel aber ist, stärker als der Markt zu wachsen. Das wird nicht funktionieren, aber dennoch muss es das ganz dringend. Denn vergessen wir nicht: Mehr Tonnenkilometer auf der Straße, der Schiene, dem Binnenschiff oder auch in Frachtflugzeugen sorgen dafür, dass insgesamt mehr Verkehrsinfrastruktur vorgehalten werden muss.

Wenn aber die Nachfrage (nach Transport) steigt, das Angebot (Transportinfrastruktur) konstant bleibt oder weniger stark steigt, dann gehen traditionell die Preise hoch. Die älteren werden das noch wissen. Und das bedeutet, dass die Schiene, die heute schon im Kostenwettbewerb mit viel zu billigen Lastwagenfahrten steht, teurer wird.

Gleichzeitig ist aber heute eine Situation erreicht, in der der hochsubventionierten Regionalverkehr durch exorbitante Trassengebühren den durch viel schwerere Güterzüge herbeigeführten Verschleiß mitfinanzieren muss. Wie man es also dreht und wendet, die auch hier wieder mitschwingende „neue Ernsthaftigkeit“ wird sich schneller in Wohlgefallen auflösen, als so manch einer es jetzt denkt.

Siehe auch: BME und VDV wollen die Schiene stärken

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