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Die Chancen der Marktwirtschaft nutzen

31.01.19 (Berlin, Brandenburg, Kommentar, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen) Autor:Stefan Hennigfeld

Erinnert sich noch jemand an den diesmal ausgebliebenen Aufschrei, als bekannt geworden ist, dass das Netz Berlin Stadtbahn mit einer Loslimitierung vergeben zur Vergabe anstand? Egal, wie man es drehte oder wendete, aber die Betreibervielfalt rund um die Bundeshauptstadt würde breiter, DB Regio hatte keine Chance, den aus den Zeiten vor der Eisenbahnreform herrührenden Marktanteil zu behalten.

Im Grunde stört das heute niemanden mehr, allerdings ist mir persönlich ein GDL-Streik in Erinnerung, als die ODEG zumindest einen Teil der Leistungen verlässlich gefahren ist. Während die mit politischen Mitteln dem Wettbewerb faktisch entzogene S-Bahn Berlin komplett brachlag – und das ja vielfach nicht nur aus Streikgründen – hat die ODEG zumindest einen Teil des RE-Angebotes aufrecht erhalten.

Das ist im übrigen selbstverständlich auch umgekehrt möglich. Ja, es kann sein, dass die ODEG oder wer auch immer in Zukunft Probleme haben wird: Streik, Personalmangel, Flottendefekte, was auch immer. Und das Szenario, dass DB Regio dann dafür sorgt, dass zumindest nicht alles zusammenbricht, ist absolut realistisch.

Deswegen richtet sich eine solche Losbeschränkung auch nicht gegen die (frühere) Staatsbahn, sondern ist eine Entscheidung für mehr Marktwirtschaft auf der Schiene. Und angesichts der branchenweiten Personalsituation kann wohl niemand mehr ernsthaft sagen, dass Ausschreibungen Arbeitsplätze oder gar Existenzen bedrohen.

Das Gegenteil ist der Fall: Mit mit der Neuvergabe einhergehenden Leistungsausweitungen sorgen gerade eben nicht nur dafür, dass die Menschen weiter in Lohn und Brot bleiben, sondern die Grundlage für Arbeit und Beschäftigung wird auf Jahrzehnte hinaus festgeschrieben. Jetzt ist es nicht mehr Sache der Angestellten, sich einen Arbeitgeber zu suchen, sondern die Betreiber müssen Personalakquise machen.

In den strukturschwachen Regionen Nordostdeutschlands ist das womöglich auch noch einfacher als in Baden-Württemberg, Bayern oder der Metropolregion Rhein-Main. Die Eisenbahn kann nun ihren Teil dazu beitragen, dass junge Menschen eben nicht abwandern, in die Städte gehen oder sich gar eine neue Heimat in anderen Teilen der Republik suchen: Hier kann man Schulabsolventen Angebote machen, den Traumberuf des Lokomotivführers zu ergreifen und langfristige Sicherheit in der Heimat zu bieten.

Und wem Berlin, Hamburg oder Stuttgart zu teuer sind, der kann dann an die Ostsee, an den Mecklenburgische Seenplatte oder in vielleicht doch nicht ganz entvölkerte Kleinstädte Mitteldeutschlands ziehen: Die Lebenshaltungskosten sind niedriger als in München oder Stuttgart, die Löhne indes sind es nicht.

Die Eisenbahn kann hier nicht nur zur Mobilitätsverfügbarkeit beitragen, sondern auch Perspektiven geben, dass junge Menschen entweder vor Ort bleiben oder sich mit ihren Familien dort ansiedeln. Denn mit den langfristigen Verkehrsträgen geht stets auch eine ebenso langfristige Sicherheit einher. Deswegen sollten alle Beteiligten die sich für die Eisenbahn bietenden Chancen nutzen.

Siehe auch: Netz Elbe-Spree wettbewerblich vergeben

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