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NWL: Debatte um beschleunigten Berlin-ICE

19.04.18 (Fernverkehr, NWL) Autor:Stefan Hennigfeld

Dieser Tage wird beim Aufgabenträger Nahverkehr Westfalen-Lippe über Planungen der DB Fernverkehr AG diskutiert, wonach man den ICE zwischen Köln und Berlin künftig auf einigen Fahrten nur noch in Hannover halten lassen möchte. Zahlreiche Großstädte in der Region Ostwestfalen würden damit bei ihrer SPFV-Anbindung erhebliche Verschlechterungen hinnehmen müssen.

DB Fernverkehr hat für den Zeitraum der Fertigstellung von Stuttgart 21 (Zeitraum ca. 2024/25) ein neues Fernverkehrskonzept angekündigt, das sich auch in Nordrhein-Westfalen auswirken wird. Bereits ab Ende 2020, und somit zeitlich deutlich vorgezogen, sollen mindestens drei Fahrtenpaare einer sogenannten ICE-Sprinterlinie zwschen Bonn, Köln, Hannover und Berlin verkehren.

Dabei soll das Ziel verfolgt werden, jeweils eine Reisezeit von vier Stunden zwischen Köln und Berlin zu erreichen. Kern dieses Fernverkehrskonzeptes ist eine neue ICE-Sprinterlinie 19, die nach derzeitigem Stand zweistündlich ab Köln mit nur einem Zwischenhalt (Hannover) bis Berlin geführt werden soll; eine Weiterführung ab/bis Bonn wird von Fernverkehr angestrebt.

Um diese neue Linie realisieren zu können, wird bei der ICE Linie 10 (derzeitige Verbindung NRW – Berlin) alle zwei Stunden die Flügelung (Zugtrennung / -vereinigung) in Hamm aufgegeben. Die Linie 10 wird dann mit beiden Einheiten über die Ruhrachse geführt. In dieser Stunde wird die neue Linie 19 ab Hannover ohne Halt über die Wupperachse bis Köln verkehren.

Somit verliert Hamm alle zwei Stunden (wenn die neue ICE Linie 19 verkehrt) die schnelle Fernverkehrsverbindung über die Wupper (mit den Halten Hagen und Wuppertal) bis Köln. Die Linie 19 soll nach derzeitigem Stand auch nicht in Bielefeld halten. Zudem plant DB Fernverkehr, die InterCity-Linie 77 (Amsterdam – Osnabrück – Berlin) vsl. ab 2024 halbstündlich zu drehen, um zusammen mit der Linie ICE 10 und 19 einen Halbstundentakt zwischen Hannover und Berlin realisieren zu können.

Dabei ist auch fraglich, ob künftig die Halte Minden und Bad Oeynhausen bzw. Bünde durch den InterCity bedient werden können. Diese Neuplanung würde zu großen Auswirkungen im SPNV führen, v.a. in Bezug auf die Linien RB 61 (Hengelo – Osnabrück – Bielefeld) und RB 71 (Rahden – Bünde – Bielefeld). Der Umfang ist noch nicht vollumfänglich erfasst. Auch etwaige Lösungsvarianten sind noch nicht erarbeitet, der Handlungsspielraum wird angesichts der infrastrukturellen Gegebenheiten sowie der wirtschaftlich optimierten Fahrzeugumläufe jedoch gering sein.

DB Fernverkehr hat zu den Planungen der IC-Linie 77 Gesprächsbereitschaft signalisiert. Für Wuppertal hieße das, dass die Linien RE 4 (Aachen – Dortmund), RE 7 (Krefeld – Münster) und RB 48 (Bonn – Wuppertal) dort planmäßig überholt würden. Fahrzeitpuffer, die derzeit noch vorhanden sind, um die Betriebsstabilität aufrecht erhalten zu können, müssten dann aufgegeben werden.

Zwischen Hagen und Wuppertal gibt es bereits heute Probleme zwischen den durch die Aufgabenträger bestellten Regionalzügen und den eigenwirtschaftlichen Fahrten der DB Fernverkehr AG. So werden bereits jetzt sehr häufig pünktliche Regionalzüge auf die Seite genommen, um den verspäteten Fernverkehr überholen zu lassen. Und das obwohl in den Regionalzügen oft deutlich mehr Fahrgäste sind und die Züge nicht langsamer fahren.

Im Raum Ostwestfalen muss möglicherweise auch die Linie RB 69 (Hamm – Bielefeld) planmäßig überholt werden. Der ITF NRW ist derzeit für alle SPNV-Linien überholungsfrei und mit ausreichenden Pufferzeiten geplant worden, um trotz hoher Verkehrsdichte qualitativ möglichst stabil fahren zu können. Die vorgesehenen Veränderungen werden zu massiven Beeinträchtigungen der Pünktlichkeit über den Wupperkorridor hinaus führen.

Nach der Konzeptankündigung der DB Fernverkehr AG haben sich zwei Arbeitsgruppen gebildet, die das Vorhaben untersuchen. In der NRW-Arbeitsgruppe sind DB Fernverkehr, DB Netz Zentrale, DB Netz West, KC ITF NRW sowie die Zweckverbände und das Fachreferat des Verkehrsministeriums vertreten.

In der länderübergreifenden Arbeitsgruppe sind zudem die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG), die Region Hannover, die Region Braunschweig und DB Netz Nord eingebunden. Die Aufgabenträger wollen vermeiden, dass der aufwendig geplante integrale Taktfahrplan für einzelne SPFV-Leistungen auseinandergerissen wird. Die politische und planerische Debatte wird daher wohl noch eine Weile andauern.

Siehe auch: Mehdorns Bodenhansa-Phantasien sind wieder da

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