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Qualität kostet, aber wer zahlt?

19.02.18 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Am letzten Donnerstag war an dieser Stelle die Rede von kostenlosen Busfahrversuchen in Tübingen – und dann kommt die Bundesregierung daher und möchte die generell kostenlose ÖPNV-Nutzung in einigen Städten pilotweise versuchen. Es ist sicher mehr als Spekulation und Mutmaßung davon auszugehen, dass das mit den aktuell verfehlten Umwelt- und Feinstoffwerten zu tun hat.

Da möchte man der Europäischen Kommission etwas Verhandlungsmasse entgegensetzen und kommt mit so einem Projekt, dessen Idee nicht erst seit gestern im Raum steht, sondern schon lange. Ein fahrscheinfreier ÖPNV? Klar: Nicht kostenlos, denn irgendwer zahlt am Ende immer, zur Not der Steuerzahler. Aber es ist nicht mehr nötig, spezifische Fahrscheine im Form von Einzel- oder Zeitkarten zu kaufen.

Haben wir damit Erfahrungen? Zum Teil schon. Wie war das denn damals, als die ersten Semestertickets eingeführt worden sind? Als Studenten auf einmal die Möglichkeit hatten, gefühlt kostenlos öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, bzw. ihren Fahrschein so oder so bezahlen mussten. Viele sind damals vom Fahrrad auf Bus und Bahn umgestiegen, die Nachfrage ist gestiegen.

Das wäre sicher auch hier der Fall und wenn der VDV davor warnt, dass man dann sehr kurzfristig deutliche Zusatzkapazitäten schaffen muss, dann ist das sicher ein berechtigter Einwand. Heute schon sind Busse und Bahnen zu Stoßzeiten überfüllt, was passiert dann erst, wenn der Fahrpreis auf Null sinkt? Und hat das überhaupt den positiven Effekt oder würden viele dann denken „Das ist ja die Rache der Ölsardinen“ und nehmen alsbald doch wieder das Auto?

Dabei ist es gar nicht grundsätzlich falsch, über eine Umlage den ÖPNV für alle zu finanzieren. Heute schon sind Ideen da, dass etwa Wohnungsbaugesellschaften direkte Verträge mit den Verkehrsverbünden machen und diese über die Mietnebenkosten abrechnen. Ob das juristisch haltbar ist? Das ist ein wichtiger Punkt.

Wenn sich irgendwelche Politiker überlegen, dass man doch jedem Bürger als faktische Steuer zwangsweise ein Monatsticket für Bus und Bahn zum Kauf auferlegen kann, dann wird es mit Sicherheit Klagen in Karlsruhe geben. Dann stellt sich irgendwann unweigerlich die Frage, ob es denn so verkehrt ist, wenn jeder seine eigene Karte zahlt oder auch nicht. Generell ist es das nicht.

Aber: Wenn die Fahrpreise jedes Jahr um das zwei- bis vierfache der Inflation steigen, dann muss es auch eine entsprechende Gegenleistung geben. Das Geld darf nicht einfach nur genutzt werden, um höhere Trassenpreise zu finanzieren oder den Zuschuss der öffentlichen Hand zu senken. Erst recht kann es, gerade in Metropolregionen, nicht sein, dass das Geld über Nettoverträge einfach unbegrenzt zum Betreiber und in dessen Gewinnzone fließt.

Ja, auch die Fahrgäste haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten ihren Teil zur Sanierung des öffentlichen Verkehrs beigetragen. Da ist es recht und gerecht, wenn diese durch die zusätzlichen Markteinnahmen auch bessere Leistungen kriegen können. Was viel Geld kostet, muss auch Qualität liefern.

Siehe auch: Debatte um fahrscheinfreien ÖPNV
Foto: 3dman_eu

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