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Der Bruttovertrag und seine Vorteile

11.01.18 (Bayern, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Die These, dass Nettoverträge dafür sorgen, dass der Betreiber einen Anreiz für gute Leistungen hat, weil die Fahrgäste mit verschmutzten oder stinkenden Zügen nicht fahren und dann wegbleiben, hat ohne Frage eine innere Logik. Sind Qualität und Leistung hoch, dann steigen mehr Leute um und der Betreiber profitiert; ist das nicht der Fall, muss er sehen, wie er mit sinkenden Fahrgelderträgen klarkommt.

Doch gerade in wachsenden Regionen, im Verkehr rund um Metropolen oder dort, wo die Nachfrage deutlich stärker steigt als gedacht, haben die Markteinnahmen noch eine weitere Funktion: Denn selbstverständlich sind die Bestellerentgelte nur ein Teil der Finanzierung, ein weiterer Teil muss am Markt erwirtschaftet werden.

Wenn man jetzt aber massiv steigende Fahrgastzahlen hat, die dadurch steigenden Markterträge aber beim Gewinn des Betreibers landen, dann führt das zu einer sehr unangenehmen Situation: Ja, es ist mehr Geld in der Kasse, aber niemand hat Zugriff. Man kann dann nicht mehr sagen, dass die innerhalb weniger Jahre zum Teil massiv gestiegenen Erträge genutzt werden, um zusätzliche Züge zu bestellen.

Das geht dann nicht mehr und sowohl in Köln als auch in Bayern haben die Verantwortlichen in den letzten Jahren dieses Problem erkannt. Bei allen Vorteilen, die so ein Nettovertrag hat, muss es, um in bester politischer Rhetorik Bayerns zu bleiben, eine Obergrenze für Abflüsse von Markteinnahmen an den Betreiber geben. Der soll ja ruhig profitieren, wenn er durch gute Leistungen Erfolge erzielt, aber eben nicht unbegrenzt.

So eine Vertragsperiode kann nämlich ganz schön lang sein, wenn wie bei den Augsburger Netzen, die Nachfrage in nur zehn Jahren um siebzig Prozent steigt. Da ist jetzt zusätzliche Sitzplatz Gold wert: Jeder Entlastungszug zum Berufsverkehr, jede Taktverdichtung und im Zweifel auch jede zusätzliche Leistung zur Tagesrandlage.

Es ist ärgerlich, wenn das Geld für die Bestellungen fehlt, weil der Betreiber im Rahmen des Nettovertrages deutlich mehr verdient als in der ursprünglichen Kalkulation vorgesehen war. Und es ist auch den Fahrgästen gegenüber unfair, die mit ihren Tickets ja auch dazu beitragen, dass sich die Gesamtveranstaltung finanzieren lässt.

Wir reden hier nicht von einem symbolischen Obolus wie bei der alten Bundesbahn, wo die Fahrgelder nur symbolischer Natur waren. Der Fahrgast beteiligt sich an den Kosten und dafür will er entsprechend etwas sehen. Die Aufgabenträger wissen das: Nicht nur die Münchener S-Bahn, auch rund um Augsburg vergibt man die Leistungen jetzt im Bruttovertrag: Zurecht!

Denn die genannte Fahrgaststeigerung war ja keine einmalige Sache, die jetzt abgeschlossen ist; mit bis zum St. Nimmerleinstag konstanten Fahrgastzahlen: Es geht weiter nach oben, ein Ende ist nicht in Sicht. Deswegen ist es so wichtig, dass man auch in Zukunft den finanziellen Spielraum hat, das Angebot qualitativ und quantitativ zu verbessern. Denn so gestaltet man einen starken Verkehrsträger Schiene vor Ort mit: Das Angebot muss stimmen, dann kommen die Leute von selbst.

Siehe auch: BEG vergibt Augsburger Netze
Foto: Alexas Fotos

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