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NRW: Debatte um das Sozialticket

30.11.17 (Nordrhein-Westfalen, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Dieser Tage gab es in Nordrhein-Westfalen eine heftige und teilweise emotional geführte Debatte um eine mögliche Abschaffung des dort in allen Verkehrsverbünden erhältliche Sozialticket. Die frühere rot-grüne Landesregierung ist 2010 mit diesem Versprechen in den Wahlkampf gezogen und hat es ab 2012 umgesetzt. Die seit diesem Jahr amtierende schwarz-gelbe Landesregierung hat geplant, die Zuschüsse von 40 Millionen Euro im laufenden Jahr 2018 und 2019 zu senken und das Angebot ab 2020 ganz abzuschaffen.

Zwischenzeitlich ist man von derartigen Plänen aber wieder abgerückt, Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) hat angekündigt, im Rahmen seiner Beratungen mit den Verkehrsverbünden jedoch auch über die Zukunft des Sozialtickets sprechen zu wollen. Es war geplant, das Geld trotz des neuschuldenfreien Haushaltes in den Straßenbau zu investieren. Der Eisenbahn oder dem ÖPNV wäre es ebenso wenig zugute gekommen wie dem Wohnungsbau – trotz der eskalierenden Obdachlosigkeit, gerade in den Großstädten.

Am Mittwochabend jedoch wurde klar: Das Sozialticket bleibt dauerhaft erhalten; auch über 2018 hinaus – und das mit der gleichen Landesförderung. Kritik kam von der Opposition. Arndt Klocke, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag, sagte der Sueddeutschen Zeitung: „Besser kann Schwarz-Gelb kaum deutlich machen, wie egal ihnen die gesellschaftliche Teilhabe einkommensschwacher Haushalte ist.“

Auch innerhalb der CDU regte sich Kritik: So hat etwa die Christdemokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) in Südwestfalen einen Vorstandsbeschluss gefasst, der die regionalen Landtagsabgeordneten dazu aufruft, die Entscheidung nicht mitzutragen. Ob das eine Rolle bei der Planänderung der Landesregierung gespielt hat, ist schwer zu sagen.

Tatsache ist aber, daß die Regierungskoalition im Landtag nur eine Stimme Mehrheit hat; ein einziger Abweichler in den eigenen Reihen hätte also gereicht, um die Pläne scheitern zu lassen. Zur Erinnerung: Alle 72 CDU-Abgeordnete sind direkt in ihrem Wahlkreis gewählt und daher nicht angewiesen auf einen Listenplatz – wohl aber auf ihre Ortsvereine, die wiederum die Mehrheitsverhältnisse im Landtag genau kennen.

Selbst Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hätte dem Landtag nicht angehört, wenn er nicht knapp das Direktmandat in der Aachener Innenstadt für sich entschieden hätte. Dieser kündigte in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung an, gemeinsam mit den Verkehrsverbünden eine „sozialverträgliche Lösung“ finden zu wollen. Das hat sich durch die Ankündigung, das Sozialticket in seiner jetzigen Form dauerhaft fortführen zu wollen, wohl erübrigt.

Derzeit nehmen rund 300.000 der 17 Millionen Einwohner Nordrhein-Westfalens das Ticket in Anspruch, die Zahl ist in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen – ebenso wie die Landeszuschüsse, die ursprünglich mit dreißig Millionen Euro gestartet sind. Und ohne diese Förderung sind die Verbünde nicht in der Lage, ein solches Ticket anzubieten. Diese Sozialleistung muss das Land bezahlen, sie kann nicht von den Verkehrsbetrieben finanziert werden.

José Castrillo, Vorstand des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr, sagte dem Eisenbahnjournal Zughalt.de: „Der VRR begrüßt, dass das Land für das Sozialticket in NRW auch für das kommende Jahr eine Förderung in gleicher Höhe anbietet. Der Verbund steht vor der Herausforderung, die Ausgestaltung des Tarifangebots auf Basis der von der Landesregierung gefassten Beschlüsse zur finanziellen Förderung zu überdenken.“

Castrillo: „Dies gilt es in den kommenden Wochen innerhalb der VRR-Gremien intensiv zu diskutieren. Damit die zurzeit durchschnittlich 165.000 Fahrgäste pro Monat das rabattierte Nahverkehrsticket jedoch tatsächlich auch weiterhin nutzen können, ist der VRR zwingend auf die dauerhafte finanzielle Unterstützung des Landes angewiesen.“

Ähnlich sieht das auch Holger Klein vom benachbarten Verkehrsverbund Rhein-Sieg: „Wir begrüßen die Entscheidung des Landesverkehrsministers. Die Mobilpass-Tickets im VRS haben sich seit der Einführung 2013 bewährt und sind ein Erfolgsmodell mit hoher Akzeptanz. Das beweisen die jährlichen Zuwachsraten und auch eine großangelegte Marktforschung, die wir im vergangenen Jahr mit den Berechtigten durchgeführt wurde und sehr gute Ergebnisse hatte. Der Beschluss des VRS-Unternehmensbeirat die Preise der Mobilpass-Tickets zum 1. April 2018 um 3,6 Prozent zu erhöhen, hat sich durch die Entscheidung des Verkehrsministeriums erübrigt.“

Siehe auch: Vierzig Millionen Euro sind viel Geld

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