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Der Sturm und seine Folgen

12.10.17 (Verkehrspolitik) Autor:Max Yang

Eine Woche ist es nun her, dass das Orkantief „Xavier“ durch Deutschland zog. Bäume fielen um, mehrere Menschen wurden auf der Straße durch Äste erschlagen. Aber auch im Zugverkehr insbesondere in Nord- und Ostdeutschland gab es tagelange massive Ausfälle und Verspätungen, die etwa die Strecken Hamburg-Hannover, Berlin-Hamburg und Berlin-Hannover betrafen.

In der Bundeshauptstadt Berlin selbst wurde der S-Bahn-Verkehr genauso wie der Busverkehr der Berliner Verkehrsbetriebe AöR (BVG) am Donnerstagabend vollkommen eingestellt. Auf den größtenteils unterirdisch verlaufenden U-Bahn-Linien kam es zu erheblichen Verspätungen und punktuellen Sperren. Nun, da die unmittelbaren Schäden beseitigt sind, erheben Gewerkschaften und Fahrgastverbände schwere Vorwürfe.

Ungewöhnlich harsche Kritik an der BVG wie auch an der allgemeinen Verkehrssituation nach dem Sturm kommt vom Berliner Fahrgastverband IGEB. Unverhältnismäßig sei die Einstellung des Busverkehrs auf freier Strecke gewesen. Der Systemvorteil von Bussen gegenüber Schienenverkehrsmitteln, blockierte Abschnitte zu umfahren, sei nicht genutzt worden, stattdessen habe man Fahrgäste durch „Aussetzen“ in Gefahr gebracht.

Die digitale Fahrgastinformation habe sich als „Schön-Wetter-System“ gezeigt, das bei großen Störungen falsche, unsinnige oder nichtssagende Informationen gebe oder vollständig zusammenbreche. „So zeigte ‚Daisy‘ bei der BVG Fahrten an, die schon lange nicht mehr aktuell waren, BVG-Twitter war ein vollkommener Reinfall und stieg irgendwann völlig aus, auf den Webseiten von Deutscher Bahn, S-Bahn Berlin, BVG und VBB gab es oft keine aktuellen, sich widersprechende oder unübersichtliche Informationen.“

Nur der Twitterkanal der S-Bahn Berlin sei eine positive Ausnahme gewesen. Während in der Stadt Berlin selbst auf vielen Routen Ausweichmöglichkeiten bestanden, seien brandenburgische Umlandkommunen tagelang faktisch ohne ÖPNV-Anbindung gewesen. Insgesamt urteilt IGEB: „Die Ereignisse des 5. Oktober 2017 haben das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und die Leistungsfähigkeit des Berliner Nahverkehrs erheblich beschädigt. Die Politik und die Verkehrsunternehmen müssen zeigen, dass sie den Ernst der Lage erkannt haben und alles dafür tun, dass sich solch ein Desaster nicht wiederholt.“

Der Fahrgastverband fordert bauliche und organisatorische Maßnahmen, um den ÖPNV besser auf Extremwetterlagen vorzubereiten, wie sie auch aufgrund des globalen Klimawandels zukünftig häufiger erwartet werden. Große Aufmerksamkeit erhielt auch die Kritik der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die in der Tageszeitung „Welt“ genauso wie von verschiedenen Radiosendern aufgegriffen wurde.

Klaus-Dieter Hommel, stellvertretender Vorsitzender der EVG, erklärte: „Es war für jeden Eisenbahner beschämend, den an den Bahnhöfen Gestrandeten oft nur unzureichend weiterhelfen zu können, weil sich die DB AG ganz offensichtlich nicht ausreichend auf das frühzeitig angekündigte Naturereignis vorbereitet hat.“

Die Probleme seien nicht neu gewesen: „Wieder einmal fehlte es an den nötigen Informationen, wieder einmal war das Unternehmen Deutsche Bahn nicht in der Lage, mit seinen Kunden zu kommunizieren. Das muss sich dringend ändern.“ Unter dem Titel „Das große Schweigen der Deutschen Bahn während des Orkans“ wurde in der Zeitung „Welt“ daraus die Feststellung, dass die Deutsche Bahn „mit ihrem Schweigen eine grandiose Fehlkonstruktion offen“ gelegt habe: „Das Hauptproblem ist der interne Informationsfluss im Konzern. Mit der Bahnreform sollte der Konzern ursprünglich in mehrere kleinere Einheiten zerlegt werden. Davon erhoffte man sich höhere Effizienz in Teilunternehmen, die schneller und daher besser reagieren können.“

Die in den 1990ern stattgefundene Sektorisierung habe zur Entstehung umständlicher, zeitraubender und ineffizienter Informationswege geführt, etwa von DB Netz über die Eisenbahnverkehrsunternehmen hin zu DB Station & Service. Hommel wird in der „Welt“ damit zitiert, die Bahn sei ein Verbundprodukt, und es sei nicht hilfreich gewesen, den Konzern in verschiedene Gesellschaften aufzuspalten.

Mit warnendem Unterton heißt es weiter: „Denn kommt es tatsächlich zu einer Jamaika-Koalition, säßen mit der FDP und den Grünen zwei Regierungsparteien beisammen, die die Bahn am liebsten in noch viel kleinere Stücke aufteilen und das Netz ganz aus dem Konzern herauslösen würden.“

Siehe auch: Diagnose richtig, Therapie falsch?

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