Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

Den Alltag positiv gestalten

31.08.17 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Wahrscheinlich wird man bei der Allianz pro Schiene auch selbst wissen, dass die alljährlichen Bahnhofsauszeichnungen zwar positive Leuchttürme sind, jedoch keine Aussage über den generellen oder durchschnittlichen Zustand der Zugangsstationen machen. Ja, man will dem Bild des nach Fäkalien riechenden Rauschgiftumschlagplatzes mit Gleisanschluss, wie sie zu Zeiten der alten Behördenbahn üblich waren, etwas entgegenstellen: Seht her, es hat sich viel zum guten getan!

Das ist ja auch durchaus vernünftig, aber es gibt dennoch erhebliche Probleme in puncto Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln. Gerade jüngst ist eine Statistik erschienen, die der Eisenbahnbranche wohl wenig gefallen dürfte: Ja, die Straftaten rund um Bahnhöfe und in Zügen sind gestiegen und ja, es gibt hier ein überproportional großes Problem. Vielleicht hat das mit einer in den letzten Jahren ebenfalls gestiegenen Anzeigenbereitschaft zu tun. Denn es ist ja zu erwarten gewesen, dass sich die Kriminalstatistik zunächst verschlechtert. Wir wissen aber nicht, ob das der einzige Grund ist.

Man hört immer wieder von Bahnhöfen, an denen sich die Aufenthaltsqualität gerade auch in den letzten Jahren verschlechtert hat. Dass der Kölner Hauptbahnhof ein Hotspot für Diebesbanden und Rauschgifthandel ist, ist vor der folgenschweren Silvesternacht nur Insidern bekannt gewesen. Ende 2016 haben die Rheinische Post und der Focus über regelmäßige Rudelbildungen am Dormagener Bahnhof berichtet – und auch darüber, dass Anrufer unter 110 wohl abgewimmelt worden sein sollen, auch wenn die zuständigen Polizeibehörden das natürlich vehement dementieren.

Und 110 ist ein gutes Stichwort: Während man in Nordrhein-Westfalen, auch als Folge der Kölner Silvesternacht, eine Kampagne mit dem Titel „Du hast immer eine Wahl – 110“ ins Leben gerufen hat, geht es in Berlin in die andere Richtung: Mit dem Hashtag #NoNotruf will man auf Anrufer aufmerksam machen, deren Anliegen kein Fall für die Einsatzzentralen sei. Früher hieß es „lieber einmal zu oft als im entscheidenden Moment nicht anrufen“, aber das ist offensichtlich vorbei.

Natürlich hat man in einer Stadt kurzfristig Aufmerksamkeit, wenn eine Lokalzeitung berichtet. Die sozialen Netzwerke tragen dazu bei, dass Menschen über solche Themen in Kontakt und Austausch kommen, die sich im öffentlichen Raum ihrer Stadt sonst vielleicht nie kennengelernt hätten. So werden Debatten erzeugt, die der Chefredakteur der Lokalzeitung mit dem befreundeten Bürgermeister noch vor zehn Jahren gemeinsam unter der Decke hätten halten können.

Aber es zeigt, dass es neben aufwendigen PR-Aktionen, die wie die Bahnhöfe des Jahres sicher irgendwo ihre Berechtigung haben, vernünftige Sicherheitskonzepte braucht. Partnerschaften zwischen den Ordnungsämtern, den verschiedenen Polizeien, aber auch die kommunalen Verkehrsunternehmen müssen einbezogen werden. Die Vorschläge dafür liegen längst auf dem Tisch. Man muss nicht in jedem Rathaus das Rad neu erfinden, sondern vorhandene Konzepte vernünftige umsetzen. Es ist an der Zeit, den Alltag und nicht die Leuchttürme zum positiven zu gestalten.

Siehe auch: Allianz pro Schiene kürt die Bahnhöfe des Jahres 2017

Kommentare sind geschlossen.