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Bundesbahn-Mentalität überwinden

28.08.17 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Es ist zunächst einmal schön zu sehen, wie in Werbe- und PR-Aktionen der ÖV-Branche im Zusammenhang mit den Nutzern auf einmal die Rede von „Kunden“ ist. Normalerweise und wenn es nicht darum geht, in Hochglanz zu zeigen, wie toll alles ist, ist die Wahrnehmung eine andere: Gerade der SPNV ist eine reine B2B-Branche.

Der Aufgabenträger ist der Kunde, je nach Konstellation ist auch ein Eisenbahnverkehrsunternehmen der Kunde, die Akteure stehen in unterschiedlichen Verhältnissen zueinander: Mal konkurrieren sie, mal arbeiten sie zusammen oder beauftragen sich gegenseitig. Es gibt Konflikte und an anderer Stelle wieder gemeinsame Interessen.

Nur eines haben die verschiedenen Konstellationen immer gemeinsam: Der Fahrgast, der natürlich nicht mehr Beförderungsfall genannt wird, ist in diesen Beziehungen keine relevante oder wahrnehmbare Größe. Er ist eine Finanzierungssäule, aber er findet als Endkunde nicht statt. Er ist halt der Nutzer.

Er ist also nicht König Kunde, auf den man angewiesen ist, um sein Geschäft ökonomisch erfolgreich voranzubringen, sondern er ist der, der die bereitgestellte Daseinsvorsorge benutzt. Die Vokabeln sind hierbei verräterischer als den meisten Funktionären der Eisenbahn- und ÖV-Branche wohl klar ist. Denn zu seinem eigenen Kunden hat der Unternehmer natürlich ein anderes Verhältnis als zu einem Typen, der hier alles nutzt: Ausnutzt, benutzt, wie auch immer.

Jedenfalls wird hier deutlich, dass der Fahrgast abseits der Werbung tatsächlich uninteressant ist. Der VDV – und dessen Meinung ist ja eigener Auffassung zufolge stets per definitionem Branchenkonsens – hat das vor einigen Jahren klar und deutlich gesagt.

In einer Stellungnahme vom 18. Oktober 2012 zu den Guidelines im Zusammenhang mit der VO 1370/07 heißt es: „Eine Befragung zur Zufriedenheit der Nutzer ist zwar grundsätzlich ein wichtiger Gradmesser zur Beurteilung der Beziehungen zwischen Fahrgästen und Verkehrsunternehmen. Zur Bemessung der Laufzeit öffentlicher Dienstleistungsaufträge ist eine Kundenzufriedenheitsanalyse aber wenig geeignet.“

Das ist fast fünf Jahre alt, findet sich aber immer noch auf den Seiten des Verbandes und trägt die Unterschrift des inzwischen verstorbenen damaligen ÖPNV-Geschäftsführers Rainer Metz. Dabei ist jedem, der auch nur grundständige Kenntnisse in Sachen Marktwirtschaft hat, sofort klar, dass man selbstverständlich kein Geschäft machen kann, wenn die Kunden unzufrieden sind.

Nun haben wir es hier nicht mit einem freien Markt mit echter Konkurrenz zu tun: Wenn Rewe mein Lieblingsbier nicht verkauft, gehe ich eben zu Edeka. Aber wenn Schienen-Schulz zwischen Dortmund und Bochum schlechte Leistungen bringt, dann kann ich nicht einfach zu Müller-Rail gehen, die zwischen Essen und Wuppertal viel höhere Qualität liefern.

Dennoch zeigt die gesamte Situation, dass in der Branche die Gutsherren-Mentalität der alten Bundesbahn längst nicht überwunden ist. Das muss sich ändern – gerade wenn man es schaffen will, Verkehr im großen Stil auf die Schiene zu verlagern. Unabhängig von öffentlicher Kofinanzierung, es gibt noch immer ein Mentalitätsproblem.

Siehe auch: Kundenbarometer 2017 liegt vor

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