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Karlsruhe: Vergabemodell steht fest

31.07.17 (Baden-Württemberg) Autor:Stefan Hennigfeld

In Karlsruhe hat man in der letzten Woche einen juristischen Rahmen für die künftige Vergabe gefunden. Das kombinierte Regionalstadtbahnsystem, das sowohl Tram- als auch Eisenbahnelemente hält, muss vergaberechtskonform neu konzessioniert werden. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) einigten sich nun auf ein neues Konzept. Es sieht vor, die umsteigefreie Innenstadtanbindung zu erhalten, wo sie aus Fahrgastsicht vorteilhaft ist.

Diese Strecken werden ohne Ausschreibung direkt an die AVG vergeben, weil diese alleiniger Inhaber von Zweisystemfahrzeugen ist. Im Gegenzug verzichtet die AVG auf Angebote außerhalb ihres Bereiches. Gleichzeitig werden langlaufende Verbindungen ohne Innenstadtanbindung als klassische Eisenbahnverkehre in den Wettbewerb überführt und europaweit ausgeschrieben. Hier darf sich die AVG nicht am Wettbewerb beteiligen.

„Ich bin überzeugt, dass wir damit eine gute Lösung gefunden haben, die die Interessen aller Beteiligten bestmöglich in Einklang bringt“, so Minister Hermann. Das Karlsruher Modell ermöglicht die Überwindung der Systemgrenzen von Eisenbahn und Straßenbahn durch den Einsatz von Zweisystemfahrzeugen. So können die Fahrgäste auch umsteigefrei aus dem Umland durch die Innenstadt fahren.

Die Konzeption der Ausschreibung sieht vor, die umsteigefreie Innenstadtanbindung zu erhalten, wo sie aus Fahrgastsicht vorteilhaft ist. Gemeinsam stellten Minister Hermann und Oberbürgermeister Mentrup ein Eckpunktepapier vor, welches die Vergabe des Modells und dessen künftigen Zuschnitt regelt. Durch die Abgrenzung der langlaufenden Linien von den Stadtbahnlinien, die durch die Karlsruher Innenstadt führen, wird die notwendige europaweite Ausschreibung möglich.

Oberbürgermeister Frank Mentrup betonte: „Das Eckpunktepapier ist der Durchbruch auf dem Weg zur Sicherung des Karlsruher Modells für die nächsten Jahrzehnte.“ Alexander Pischon, Vorsitzender der Geschäftsführung der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) und der Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK) ergänzte: „Wir freuen uns sehr darüber, dass mit der Unterzeichnung des Eckpunktepapiers eine wichtige Weiche zum Erhalt des erfolgreichen Modells gestellt wird.“

Die Zweisystemfahrzeuge ermöglichen zwar die Innenstadtanbindung, bringen dafür aber insbesondere bei langen Wegen einige Nachteile mit sich. Sie sind weniger leistungsstark, verfügen teilweise nicht über Toiletten, haben nur geringe Fahrradmitnahmekapazitäten und werden als weniger komfortabel empfunden. Daher haben sich Stadt und Land darauf verständigt künftig langlaufende Leistungen mit komfortableren Eisenbahnfahrzeugen über den Karlsruher Hauptbahnhof zu führen.

Für die Linien mit Innenstadtführung strebt das Land gemeinsam mit dem Landkreis Karlsruhe, der Stadt Karlsruhe als Eigentümerin der AVG und gegebenenfalls weiteren Gebietskörperschaften die Bildung einer sogenannten „Gruppe von Behörden“ an, die diese Leistungen ab 2022 dann – in Übereinstimmung mit dem EU-Recht – direkt an die AVG vergibt.

Christoph Schnaudigel (CDU), Landrat des Landkreises Karlsruhe ergänzte: „Wir freuen uns, dass dies auch zu einem verbesserten Angebot des ÖPNV im Landkreis Karlsruhe führen wird. Bruchsal und die an den Strecken liegenden Gemeinden werden nun besser an den Raum Karlsruhe und Heidelberg-Mannheim angebunden.“

Hier tritt die Problemstellung zutage, die mit allen Inhouse-Vergaben einhergeht: Die Gebietskörperschaft ist in ihrer Eigenschaft als Aufgabenträger der Schiedsrichter, als Gesellschafter des Unternehmens, das man beauftragt, gleichzeitig auch Spieler auf dem Feld. Für den Fall, dass ein nicht sanierungsfähiges Unternehmen am Markt nicht bestehen kann, wird man selbst mit Abwicklungskosten belastet.

Je nachdem, in welchem Zustand ein solches Unternehmen ist, lassen sich auch keine oder nur geringe Privatisierungserlöse generieren. Vor diesem Hintergrund haben die Eigentümer der AVG zwar einerseits ein Interesse an einer wirtschaftlichen Vergabe, wollen aber andererseits auch ihr Unternehmen schützen.

Für die umliegenden Gebietskörperschaften jedoch, die mit der AVG nichts weiter zu tun haben, ist gerade die Vergabe der reinen Eisenbahnleistungen im Wettbewerb interessant: Sie können hier entweder sehr viel Geld sparen oder für das gleiche Geld mehr Leistung einkaufen. Das Erfolgsmodell aus Karlsruhe setzt sich jedenfalls fort.

Siehe auch: Auch bei der Tram marktwirtschaftliche Wege gehen

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