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Die Verhältnismäßigkeit muss bei allen stimmen

17.07.17 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Gerade letzte Woche hing in einem großen Supermarkt im Ruhrgebiet ein Schild, dass die Gewerkschaft Verdi ihre Mitglieder zu einem unbefristeten Warnstreik aufgerufen hat. Ein unbefristeter Warnstreik? Ist das denn überhaupt möglich? Und hat ein Warnstreik nicht eigentlich andere Ziele? Offensichtlich scheint das aber keinen zu stören, wenn eine große DGB-Gewerkschaft auf diese Art und Weise eine Tarifauseinandersetzung in einem so frühen Stadium eskalieren lässt.

Denn ein Warnstreik zeigt ja, dass es noch keine für gescheitert erklärten Tarifverhandlungen gibt und von einer Urabstimmung ist wahrscheinlich auch nicht die Rede. Der Arbeitgeber rührt sich trotzdem nicht und irgendwie stört es auch niemanden. Ähnliches hat man vor ein paar Jahren in Hessen gesehen, als Verdi bei den Busfahrern zu Streiks aufgerufen hat. Auch an einem Tag, an dem in diesem Bundesland schriftliche Abiturprüfungen waren. Da stehen junge Erwachsene unter dem Druck ihres Lebens und dann kam ein Busfahrerstreik dazu. Das fand aber niemand sonderlich schlimm.

Was bedeutet das? Dass die Wahrnehmung von Streiks bei einer großen DGB-Gewerkschaft und solchen bei einer nicht im DGB organisierten Spartengewerkschaft in der Öffentlichkeit zunächst einmal eine andere ist. Die GDL hat, auch wenn es niemand so recht glauben mag, noch nie zu unbefristeten Streiks aufgerufen. Selbst in hohen Eskalationsstufen waren die Ausstände stets befristet. Bei Gesprächen mit dem Arbeitgeber, wenn auch nur informellen, hat es Streikpausen gegeben.

Auch bei Wettbewerbsbahnen hat man zahlreiche Tarifverträge ohne viel Lärm abgeschlossen. Das heißt jetzt nicht, dass die GDL per se im Recht ist und es gibt sehr wohl einen berechtigten Anspruch des Arbeitgebers, dass man zumindest innerhalb einer Berufsgruppe oder eines Wahlbetriebes einheitliche Tarifverträge anwendet. Aber die öffentliche Wahrnehmung, wonach kleine Gewerkschaften wie die GDL regelmäßig das Land lahmlegen, weil es sich um machtbesessene Funktionäre handelt, ist falsch.

Das sind bei näherem Hinsehen die großen Gewerkschaften, auch wenn deren Erfolge nicht unbedingt ähnlich groß sind. Man kann jetzt lang und breit diskutieren, ob man mit Spartengewerkschaften nicht die natürliche Gegenentwicklung zu den vielen Gewerkschaftsfusionen der 80er und 90er Jahre hat – aber das ist am Ende gar nicht entscheidend.

Wichtig ist die Feststellung, dass kleine Gewerkschaften mitnichten „gefährlicher“ sind als große. Und, Tarifeinheitsgesetz hin oder her, am Ende findet das Streikrecht ohnehin seine Grenzen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit. Und das hat die DB AG ja unter Hartmut Mehdorn regelmäßig versucht: Man hat vor etlichen Gerichten einstweilige Verfügungen beantragt.

Und auch später mussten sich Arbeitsgerichte immer wieder mit der Frage der Verhältnismäßigkeit befassen. Aber gerade weil die GDL noch nie zu einem unbefristeten Streik aufgerufen hat, kann davon wohl nicht die Rede sein. Aber gut, nun wird das neue Gesetz seine Wirkung entfalten und man darf gespannt sein, ob die Gewerkschaften jetzt zusammenrücken oder nicht.

Siehe auch: Tarifeinheitsgesetz ist verfassungskonform

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