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Der schmale Grad zwischen Transparenz und Gerechtigkeit

10.07.17 (Kommentar, VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Vor zehn Jahren gab es im VRR exakt drei Preisstufen: A für die eigene Stadt, B für die Nachbarstadt und C für den Rest des Verbundgebietes. Das hat dazu geführt, daß eine Fahrt von Dortmund nach Schwelm genauso teuer wie wie eine doppelt solange Fahrt nach Mönchengladbach. Es hat an Kostengerechtigkeit gefehlt, aber der Tarif war selbst für Leute, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln in ihrem Leben sonst nichts zu tun haben klar strukturiert und durchschaubar.

Auch wenn vier Stationen mit einem Linienbus in Breckerfeld genauso teuer waren wie eine innerstädtische Fahrt über sieben U-Bahn und vier S-Bahnstationen in der Landeshauptstadt Düsseldorf. Man merkt also schon bei oberflächlicher Betrachtung, dass der Spagat zwischen einem transparenten und einem kostengerechten Tarifsystem schwierig ist. Es mag mit den über die Jahre sukzessive eingeführten Preisstufendifferenzierungen A1 und A2 – je nach Größe der Stadt – oder auch der zusätzlichen Preisstufe D durchaus komplexer geworden sein – aber auch ergiebiger und gerechter.

Das andere Extrem sieht man in München: Der MVV hat einen Tarif, der so komplex ist, dass er bei einer Neueinführung wohl nicht mehr mehrheitsfähig wäre. Aber was heißt das schon? Hier hat man mit Ringen, Streifen und was noch allem einen hohen Grad der Kostengerechtigkeit erreicht – auch wenn man sich erst umfassend einarbeiten muss.

Zudem werden stadtweite Tagestickets an den meisten Hotels an der Rezeption verkauft und mit etwas bösem Willen könnte man annehmen, dass die Verantwortlichen durchaus darauf spekulieren, dass Touristen sich Fahrscheine kaufen, die sie eigentlich gar nicht bräuchten, nur um auf Nummer sicher zu gehen. Und da schafft man es an Rhein und Ruhr inzwischen ganz gut, den Kompromiss zu finden.

In Zukunft werden neue Systeme von Check-In und Check-Out (oder Be-In und Be-Out) dafür sorgen, dass die Abrechnung automatisiert erfolgt und dass selbst Gelegenheitsfahrer sich sicher sein können, am Ende den für sie besten Preis zu zahlen. Im März war es nur ein Vierfahrtenheft, im Mai jedoch die Monatskarte, die am günstigsten ist und der Computer berechnet im Hintergrund alles automatisch.

Geschichten, dass sich jemand an der Lottobude in Hauptbahnhofsnähe ein Ticket nach A-Stadt kauft, das aber leider nur für den Bezirk B-Dorf gilt, weil irgendein Verkäufer von nichts eine Ahnung hat, gehören dann der Vergangenheit an. Graufahrer im heutigen Sinne gibt es dann nicht mehr. Gerade in einer Zeit, in der viele Gelegenheitsfahrer sich darauf verlassen, von oft nicht ausreichend qualifiziertem Verkaufspersonal das Ticket für den gewünschten Geltungsbereich zu bekommen, ist das durchaus häufiger ein Thema als man gemeinhin denkt.

Zur Erinnerung: Das erhöhte Beförderungsentgelt wurde jüngst auf 60 Euro erhoben, die damit einhergehende Forderung der Verkehrsministerkonferenz, endlich transparente Vertriebsform zu schaffen, hat die ÖV-Branche indes nicht erfüllt. Wenn man allerdings die intuitive Nutzung so ausbaut, dass Missverständnisse dieser Art nicht mehr vorkommen, ist man einen guten Schritt weiter!

Siehe auch: VRR gibt Tarifreform bekannt

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