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Kleine und große Lösungen schließen sich nicht aus

10.04.17 (Kommentar, München, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Es ist 45 Jahre her: Die Münchener S-Bahn wurde zu den Olympischen Sommerspielen 1972 und die Fußball-Weltmeisterschaft 1974 vor Augen eröffnet. Man ging damals von rund 250.000 Fahrgastfahrten am Tag aus. Dafür war die Infrastruktur gut gerüstet, ein Mammutprojekt wurde umgesetzt. Deutschland konnte, trotz erschlaffenden Wirtschaftswunder, in die Zukunft investieren.

Heute ist die Zukunft. Im Jahr 2017 hat die Münchener S-Bahn rund 840.000 Fahrgastfahrten am Tag – Tendenz steigend. Das sind bereits heute rund dreieinhalb mal so viele wie damals und wir können wohl davon ausgehen, dass es in absehbarer Zeit vier- oder fünfmal so viele sein dürften. München wächst – und zwar nicht nur die bajuwarische Landeshauptstadt, sondern auch der umliegende Landkreis München und die Anrainergemeinden.

Das Verkehrsaufkommen wird entsprechend mitwachsen; auf der Straße wie auch auf der Schiene. Die Münchener Verkehrsgesellschaft hat mit ihrer Angebotsoffensive 2010-2020 klargestellt, dass es eine ganze Dekade lang verlässlich jedes Jahr im Dezember Leistungsausweitungen geben wird. Auf die höhere Nachfrage antwortet man mit einem höheren Angebot. So soll sichergestellt werden, dass die Busse und Bahnen nicht einfach nur immer voller werden, sondern dass man die durch höhere Nachfrage generierten Markteinnahmen in das qualitativ und quantitativ verbesserte Angebot investiert.

Natürlich kann man jetzt argumentieren, dass auch kleinere Maßnahmen sinnvoll sind: Dass der eine oder andere Regionalexpress eben auch an bestimmten S-Bahnstationen hält. Oder dass man im kommunalen Schienenbereich, etwa bei der Tram oder der U-Bahn, für Verbesserungen sorgt. Das ist sicher richtig, aber das steht nicht im Widerspruch zur großen Lösung.

Denn so wie man auch 1972 den übrigen SPNV nicht zugunsten der S-Bahn eingestellt hat, so kann man auch jetzt einige weitere Maßnahmen umsetzen, die ihren Nutzen unabhängig von der Existenz oder der Fertigstellung der zweiten Stammstrecke in München entfalten. Aber man stelle sich mal vor, 1972 hätte man statt der neuen S-Bahn vielleicht einfach nur einen geänderten RB-Stern eingeführt.

Man hätte keine Bauarbeiten gehabt und so manch ein Kandidat hätte auch damals gesagt, dass Maßnahmen nach dem Prinzip „kein, schnell und billig“ eben besonders „nachhaltig“ seien. Doch es ist richtig, hier in die Zukunft zu investieren. Und das ist auch der Unterschied zu weit weniger sinnvollen Projekten wie Stuttgart 21. In München braucht man eine deutlich leistungsfähigere Infrastruktur.

Die Mitte des letzten Jahrhunderts ist als Benchmark für dieses Jahrhundert eben nicht mehr geeignet. Man muss anbauen, man muss ausbauen, man dafür sorgen, dass mehr Menschen transportiert werden können. Und das betrifft durchaus nicht nur die Innenstadt, sondern auch das Umland. Mit der zweiten Stammstrecke müssen bessere Anbindungen an Erding, Dachau und Co. Einhergehen. Denn es wird in München immer mehr Einpendler geben. Entsprechend ist der Innenstadtverkehr nur eine von zahlreichen Komponenten.

Siehe auch: München: Zweite Stammstrecke wird gebaut

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