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Gewerkschaft Ver.Di warnt vor Marktöffnung

21.11.16 (Allgemein) Autor:Stefan Hennigfeld

Betriebsräte und Gewerkschaftsvertreter haben sich in einem offenen Brief an die Bundesregierung gewandt und vor vermeintlichen Negativfolgen bei Marktöffnungen im kommunalen Bereich gewarnt. Unterzeichnet wurde dieser von Betriebs- und Personalratsvorsitzenden aus 193 privaten und öffentlichen Unternehmen, die in unterschiedlichen Bereichen im kommunalen ÖPNV tätig sind. Auch die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Ver.Di) unterstützt deren Anliegen. Man fordert eine Änderung des Personenbeförderungsgesetzes.

Hintergrund ist, dass eine Kommune durch europäisches Recht zwar die Wahl hat, den Nahverkehr entweder auszuschreiben oder direkt an ein eigenes Unternehmen zu vergeben. Sie kann dazu Vorgaben zur Qualität und zu sozialen Bedingungen für die Beschäftigten machen, dazu gehört auch die Übernahme der Beschäftigten. Die meisten Bundesländer haben zudem repräsentative Tarifverträge für den ÖPNV in Tariftreuegesetzen bestimmt. Doch mit dem im deutschen Personenbeförderungsgesetz festgelegten „Vorrang eigenwirtschaftlicher Anträge“ wird das Vergabeverfahren abgebrochen und alle Vorgaben zum Arbeitnehmerschutz werden unwirksam.

„Tarifgebundene private und kommunale Unternehmen haben keine Chance, mit eigenwirtschaftlichen Anträgen zu konkurrieren. Dieser ungleiche Wettbewerb findet ausschließlich über Sozialdumping statt. Wir befürchten eine Welle der Tarifflucht und eine massive Unterhöhlung des bisherigen Tarifgefüges. Dieses Ungleichgewicht widerspricht den Grundsätzen einer sozialen Marktwirtschaft“, so die Arbeitnehmervertreter und Gewerkschafter in ihrem Schreiben. Ein Negativ-Beispiel ist nach den Verfassern des Briefes der Pforzheimer Stadtverkehr, wo durch einen eigenwirtschaftlichen Antrag der Deutschen Bahn über 200 Beschäftigte ihren Job verlieren.

In Hildesheim ist die Deutsche Bahn mit einem eigenwirtschaftlichen Antrag gescheitert. Das städtische Unternehmen musste einen eigenen eigenwirtschaftlichen Antrag vorlegen und bekam den Zuschlag, jedoch um den Preis der Absenkung der Arbeitsbedingungen. Auch zahlreiche andere private Unternehmen haben bereits eigenwirtschaftliche Anträge gestellt, unter anderem in Kiel, Leverkusen, Hamm, Gotha, Esslingen, Oldenburg und Saarlouis. Einige Anträge wurden abgelehnt, Bieter klagen jedoch dagegen.

Die Gewerkschaft geht davon aus, dass aktuell die Arbeitsplätze von 1.600 Beschäftigten bedroht sind. Auf Negativentwicklungen in der Vergangenheit geht man dabei jedoch nicht ein. So wurde etwa in Nordrhein-Westfalen schon vor Jahren vereinbart, dass Bus- oder Tramfahrer nicht mehr nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, sondern nach einem gesonderten Tarifvertrag Nahverkehr bezahlt werden. Später wurde die Situation innerhalb dieses von Ver.Di unterschriebenen Absenkungstarifvertrages weiter verschlechtert, indem die Entgeltgruppe 5a eingeführt worden ist, wiederum unterstützt von Ver.Di.

Die privaten Subunternehmen, die auch in geschlossenen Märkten fester Bestandteil des öffentlichen Verkehrs sind, hatten zwischen Rhein und Weser bis vor kurzem einen Tarifvertrag mit der Christlichen Gewerkschaft öffentlicher Dienst und Dienstleistung (GÖD), welcher jedoch im Rahmen der Rechtsverordnung zum Tariftreuegesetz nicht anerkannt worden ist. Doch auch hier hat man sich bei Ver.Di bereiterklärt, einen Tarifvertrag abzuschließen, der auch den Tarifvertrag Nahverkehr und die dort enthaltene Entgeltgruppe 5a noch einmal unterschreitet.

Hier wurde also das, was eigentlich vermieden werden sollte, von Ver.Di abgesegnet, was auch künftige Tarifverhandlungen mit öffentlichen Unternehmen erschwert, weil das Drohgespenst, bei hohen Lohnabschlüssen einfach mehr Leistungen auszulagern, allgegenwärtig ist. Doch während man Verschlechterungen bei kommunalen Unternehmen akzeptiert, verwahrt man sich gegen jede Form von Marktöffnung und eigenwirtschaftlichen Anträgen, etwa von der Deutschen Bahn.

Der Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre soll gänzlich gestrichen werden. „Wir bitten Sie im Namen der 130.000 Beschäftigten im öffentlichen Nahverkehr und ihrer Familien dringend um Unterstützung. Bitte wirken Sie in Ihren Gremien auf eine schnelle Änderung des Personenbeförderungsgesetzes hin“, adressieren die Autoren des Briefes an die Abgeordneten und Regierungsvertreter. Und falls es doch Ausschreibungen gibt, sollen Regelungen zur Personalübernahme gesetzlich fixiert werden.

Siehe auch: Offene Märkte sichern Qualität und Leistung

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