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NWL plant Direktvergabe für Mitte-Deutschland-Verbindung

10.11.16 (Fernverkehr, NWL) Autor:Stefan Hennigfeld

Der Aufgabenträger Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) plant erneut eine Direktvergabe langlaufender Eisenbahnleistungen an die DB AG. Diesmal geht es um die Mitte-Deutschland-Verbindung, also auf nordrhein-westfälischer Seite zwischen Hamm und Warbung. Im europäischen Amtsblatt wurde letzte Woche eine Ankündigung veröffentlicht, dass man einen Vertrag mit der Deutschen Bahn abschließen möchte, der Geld für InterCity-Leistungen auf dieser Strecke vom Aufgabenträger an das Verkehrsunternehmen fließen lässt.

Der juristische Trick ist, dass man die Bestellerentgelte nicht mehr als solche kennzeichnet, sondern die Rede ist von „Tarifausgleichen“. Bezahlt wird also nicht, wie bislang üblich, pro Zugkilometer, sondern pro Tarifkilometer. Möglicherweise können trotzdem Pauschalbeträge pro Zugkilometer fällig werden, aber die Züge – so heißt es im Amtsblatt – sind nicht vom NWL bestellt und werden das auch nicht.

Bei einem möglichen Nachprüfungsantrag wird es wahrscheinlich darum gehen, inwieweit diese Züge dennoch bestellten Charakter haben: Kann DB Fernverkehr den Betrieb nach eigenem Ermessen einstellen, wenn man die Leistungen für unwirtschaftlich hält? Oder verpflichtet man sich, die Züge für die Dauer des Vertrages zu fahren? Das hieße dann, dass Geld fließt und der Empfänger sich verpflichtet zu fahren. Diese Verkehrsleistungen dennoch als „nicht bestellt“ zu deklarieren, dürfte ein möglicher Angriffspunkt sein.

Der auf der Mitte-Deutschland-Verbindung fahrende RE 11 wird demnächst von Abellio betrieben. Und dort hat man großes Interesse an zusätzlichen vergebenen Aufträgen. Stephan Krenz, CEO Abellio GmbH: „Es sei hier noch einmal an das Abellio-Urteil des Bundesgerichtshofes von 2011 erinnert: Wenn öffentliche Mittel im SPNV vergeben werden, sei es direkt oder indirekt, dann muss es dafür faire Ausschreibungen für alle am Wettbewerb beteiligten Unternehmen geben. Recht muss Recht bleiben!“

Bereits vor über fünf Jahren hat Abellio in Nordrhein-Westfalen eine Direktvergabe gekippt und der Beschluss der Karlsruher Richter gilt seitdem für das Eisenbahnwesen in ganz Deutschland: Die Vergabe unterliegt dem Vergaberecht. Das sieht man auch beim benachbarten Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) so. Dort wurde eine Beteiligung an derartigen Konzepten langfristig im Vorfeld abgelehnt, weil man Verstöße gegen das Vergaberecht sieht und generell nicht bereit ist, Fernverkehrsleistungen zu bestellen.

Die Regionalisierungsgelder für die Länder dienen zur Finanzierung des Nahverkehrs, nicht für Fernverkehrsleistungen. Hier ist der Bund verantwortlich und in Artikel 87e des Grundgesetzes steht, dass ein Bundesgesetz die Zuständigkeiten des Bundes näher regeln soll. Ein solches Bundesgesetz existiert jedoch nicht. Dennoch sieht man das beim VRR nicht als Grund, SPFV-Leistungen zu bestellen oder auch nur mitzufinanzieren.

Bei Abellio ist man allerdings offen für zusätzliche Züge: Unabhängig von der Zuständigkeit der Aufgabenträger, sieht man sich sehr wohl in der Lage, auch etwa einen eigens bestellten Zug zu fahren, der von Düsseldorf über Hamm und Kassel bis Erfurt oder sogar Leipzig ginge. Denn wenn der RE 11 von Abellio übernommen wird, reicht das Netz des Unternehmens ohnehin durchgehend von Aachen bis Bitterfeld bzw. Erfurt.

Langlaufende und länderübergreifende Zugleistungen gehören für Abellio zum Dienstleistungsportfolio und können daher selbstverständlich jederzeit angeboten werden, teilt man auf Anfrage mit. Das gilt ebenso für viele andere Betreiber, so dass fraglich sein dürfte, ob exklusive Verhandlungen des NWL mit der Deutschen Bahn juristisch wasserdicht sind. Dabei steht es auch der DB AG jederzeit frei, sich im Markt zu betätigen und an Ausschreibungen langlaufender Zugleistungen, die sich aus Fahrgelderträgen nicht auskömmlich finanzieren lassen, zu beteiligen.

Bei Abellio fordert man, dass sich alle Marktteilnehmer in gleicher Weise dem Wettbewerb stellen, statt nach Möglichkeiten zu suchen, wie die Auseinandersetzung um die beste Dienstleistung zum wirtschaftlichsten Preis durch rechtlich nicht abgesicherte Direktvergaben umgangen werden könne. Es sieht nach einer juristischen Klärung aus – und vielleicht sogar nach einem zweiten Abellio-Urteil. Denn bereits vor einem Jahr, als es um die Neuvergabe der Leistungen zwischen Hagen und Siegen ging, hat man den NWL darauf hingewiesen, dass man die Rechtmäßigkeit von Vereinbarungen zu Lasten Dritter juristisch prüfen lassen wird.

Siehe auch: Die öffentliche Hand ist nicht lernfähig- und willig

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