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Das Worst-Case-Szenario

27.10.16 (Bayern, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Wenn ein Aufgabenträger sich entscheidet, die Fahrzeuge für ein Vergabeobjekt durch die Betreiber anschaffen zu lassen, dann geschieht das in der Regel mit dem Argument, dass man die damit verbundenen Risiken von den öffentlichen Haushalten fernhalten möchte. Das ist legitim und in Ordnung. Das Beispiel in Nürnberg zeigt aber auch, dass für den Fall einer längeren gerichtlichen Auseinandersetzung ebenso unkalkulierbare Risiken entstehen. Diese lassen sich vermeiden, wenn die Züge separat angeschafft und dem Betreiber beigestellt oder an diesen vermietet werden.

Es ist einzig und allein daran gescheitert, dass die Vorlaufzeiten zu kurz sind. Natürlich kann man jetzt Vorwürfe gegen DB Regio erheben, die Tatsache allerdings, dass alle Einsprüche zulässig (wenn auch unbegründet) waren, lässt Vorwürfe im Sande verlaufen. Das Unternehmen hat bis zuletzt seine Position deutlich gemacht. Es zeigt aber, dass hier der Anspruch auf rechtliches Gehör mit der Bestrebung nach Rechtssicherheit irgendwann nicht mehr in Einklang zu bringen ist.

Zumal auch mögliche Verschiebungen der Betriebsaufnahme weitere Risiken gebracht hätten, es hätten neue Einsprüche folgen können und vieles mehr. Vor diesem Hintergrund scheinen die Risiken, die mit einem Fuhrpark der Aufgabenträger einhergehen, deutlich geringer und überschaubarer. Zumal das hier immer genannte Worst Case Szenario, dass die Zulassung von Zügen von heute auf morgen erlischt, in jedem Fall ein Problem der Aufgabenträger wäre.

Ja meinen denn einige Verkehrsminister oder Verbundgeschäftsführer, dass man einfach sagen kann „Ist nicht unser Bier“, wenn Züge in einem S-Bahnnetz, auf einem RE-Stern oder wo auch immer keine Zulassung mehr haben und der Verkehr eingestellt werden muss? Jeder einzelne Zugausfall ist ein Problem des Aufgabenträgers und wenn eine ganze Flotte plötzlich steht, ist der Aufgabenträger in der Pflicht zu handeln, egal in wessen Eigentum sich die Fahrzeuge befinden.

Denn wenn die Beschaffung der Züge gesondert ausgeschrieben worden wäre, hätte man noch eine ganze Weile weiter streiten können. Dazu muss man sagen, dass eine Vergabe, die an der Verfahrensdauer gescheitert ist, hier nicht zum ersten mal der Fall ist. Bereits vor einigen Jahren bei der Vergabe des Bitterfelder Kreuzes lief es ähnlich: Damals war Abellio das Unternehmen, das die Bindefrist nicht mehr verlängert hatte.

Natürlich gibt es Unterschiede: Während man in Bayern durch die Instanzen ging und die Gerichte funktioniert haben, hat man in Sachsen-Anhalt mehrere Monate auf eine Entscheidung der Vergabekammer warten müssen. In Bayern waren es juristische Fallstricke, in Sachsen-Anhalt ein nicht funktionierender Staatsapparat. Doch so unterschiedlich die Ursache sind, das Problem bleibt das gleiche: Der wirtschaftlichste Bieter bekommt den Zuschlag nicht und es wird teurer. Im konkreten Fall ist die Rede davon, dass während der Vertragslaufzeit Mehrkosten von über hundert Millionen Euro entstehen. So richtig der Rückzug aus Sicht des Bieters ist, aber der mit dem Atem für die dritte Halbzeit ist eben nicht automatisch der bessere Gewinner.

Siehe auch: S-Bahn Nürnberg: National Express sagt ab

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