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Betreibervielfalt im Alltag

08.09.16 (Baden-Württemberg, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Dass man im Laufe seines Arbeitslebens immer mal wieder die Firma wechselt, ist in einer marktwirtschaftlich orientierten Gesellschaft die Regel. Auch im Eisenbahnwesen ist es eine aus alten Zeiten übriggebliebene Unsitte, fest davon auszugehen, dass es vom Berufseintritt bis zur Rente nur den einen Arbeitgeber gibt. Natürlich kann das so eintreten, aber es lässt sich nicht planen. Das gilt für den Triebfahrzeugführer ebenso wie für die Leitungsebene. Es ist üblich, dass Unternehmen sich gute Führungskräfte gegenseitig abwerben, auch um den jeweiligen Konkurrenten zu schwächen. Was dem FC Bayern im Fußball immer wieder vorgeworfen wird und was Borussia Dortmund bei Bayer Leverkusen immer wieder tut, ist gang und gäbe.

Dass jetzt aber mit kurzem Vorlauf eine Führungsfigur von DB Regio zu einer Wettbewerbsbahn wechselt, ist etwas neues, das bislang unüblich war. Aber es zeigt, wie sehr sich der Eisenbahnmarkt einerseits seit der Gründung der DB AG 1994 bzw. der Regionalisierung 1996, andererseits aber auch seit dem Abellio-Urteil 2011 gewandelt hat. Noch vor zehn Jahren war es selbstverständlich, dass die gefühlte Bundesbahn alle wichtigen und großen Eisenbahnleistungen gefahren ist.

Klar, es gab auch damals schon einzelne Strecken, auf denen andere unterwegs waren, aber Betreibervielfalt wie sie heute auf der Schiene vorherrscht, gab es nicht. Damit haben dann auch DB Regio und VDV vor und nach dem Abellio-Urteil regelmäßig argumentiert, wenn sie eine Gesetzesänderung gefordert haben, um Direktvergaben an DB Regio wieder zu ermöglichen. Mehrheitsfähig war dieses Ansinnen nicht und heute sehen wir, dass die neue Marktordnung gegenteilige Effekte hervorgerufen hat: Es sind zusätzliche Akteure in den Markt eingestiegen. Firmen wie Go-Ahead oder National Express haben Deutschland nicht auf dem Globus neu entdeckt, sondern sie haben den Markt beobachtet und sind eingetreten, nachdem sich die Rahmenbedingungen zu ihren Gunsten gewandelt haben.

Das ist für DB Regio in mehrfacher Hinsicht ein Problem: Es gibt jetzt keinen Direktvergabemarkt mehr, man muss alle Netze im Wettbewerb verteidigen. Das wiederum führt dazu, dass die Netze, die man noch fährt, mit wesentlich weniger Gewinn betrieben werden. Und nun läuft der Personalwechsel nicht mehr nur auf der Lokführer-Ebene, die man den neuen Betreiber gerne aufzwängen möchte, sondern auch deutlich höher.

Mit Andreas Moschinski wechselt der langjährige Leiter von DB Regio zu Abellio und führt deren Geschäfte. Ja, er hat bis zuletzt noch für DB Regio vor Gerichten und auf politischer Ebene um die Aufträge gekämpft. Aber das ist kein Widerspruch zu einem Wechsel. Er hat bei DB Regio einen Job gehabt und nach bestem Wissen und Gewissen erfüllt. Nun gibt er diesen auf und macht ihn bei Abellio. Auch das ist eine Erkenntnis, die vielen im Eisenbahnwesen oft zu fehlen scheint: Wer eine Tätigkeit oder eine Funktion hat, füllt diese aus. Das heißt nicht, dass man im Laufe seines Berufslebens nicht auch anderswo gegenteilige Interessen vertritt. Ein jeder geht seinem aktuellen Job nach. Das Leben ist Veränderung.

Siehe auch: Abellio Rail Baden-Württemberg nimmt Fahrt auf

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