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Die langfristigen Erfolge der Eisenbahnreform

18.08.16 (Bayern, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Dass der Autoverkehr in ländlichen Regionen des Freistaates Bayern dauerhaft von zentraler Natur bleiben wird, dürfte unbestritten sein. Dennoch ist es auch hier erkennbar, dass gerade junge Leute ihre Scheu vor Bus und Bahn verlieren – und dass die Zahl derer steigt, die zumindest gelegentlich auch mal mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Alltag fahren. Das ist aber ein Trend, der sich nicht nur in Bayern, sondern bundesweit beobachten lässt. Zum ersten Mal überhaupt fahren junge Menschen zwischen 18 und 29 weniger Auto als ihre eigenen Eltern.

Natürlich kann das gesellschaftliche Gründe haben: Mehr junge Erwachsene studieren und fangen später an, Geld zu verdienen. Obwohl die Wirtschaft über vermeintlich zu wenige Bewerber klagt, gibt es viele Schulabgänger, die sich von Praktikum zu Praktikum hangeln und eben nicht mit 16 in die Lehre und mit 19 endgültig ins Berufsleben kommen. Die Anschaffung eines (eigenen) Autos verschiebt man dann eben. Das ist sicherlich auch eine der Ursachen – obwohl das in Bayern vermutlich weniger der Fall ist als etwa in Nordrhein-Westfalen oder Berlin.

Schließlich gibt es in Bayern viele Regionen mit Vollbeschäftigung in denen Arbeitslosigkeit so gut wie unbekannt ist. Man möge sich einmal über den Standort München hinaus die mittelständisch geprägten Wirtschaftsräume im Allgäu oder in Oberbayern angucken. Die Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse gerade für junge Erwachsene ist ein Problem, das es dort wohl kaum geben dürfte. Dass junge Erwachsene zum ÖPNV eine deutlich positivere Einstellung haben als ihre Elterngeneration ist also gerade nicht oder zumindest nicht nur mit schlechteren Lebensbedingungen zu erklären.

Nein, es hat etwas damit zu tun, dass gerade junge Erwachsene die alte Bundesbahn nicht mehr kennen. Wer 1992 geboren wurde und jetzt Mitte 20 ist, hat in der Regel keinerlei Erinnerungen an einen Fahrplan nach dem Lustprinzip, sondern kennt nichts anderes mehr als Taktverkehr. Silberlinge, deren Fenster morgens auf dem Weg zur Schule zugefroren sind, Bahnhofshallen, die riechen wie öffentliche Toiletten (und oft auch als solche genutzt werden) und überhaupt ein Zustand, den man bei objektiver Betrachtung niemandem zumuten kann.

Aber wer als Jugendlicher etwa mit einem ET 425 oder einem VT 648 zur Schule oder Ausbildung gefahren ist, der hat zur Schiene eine andere Einstellung, bundesweit. Auch in Bayern fahren Jugendliche für einen Nachmittag z.B. von Füssen nach Kaufbeuren. Wenn sie dort verdreckte und veraltete Silberlinge vorfinden – wie bei der alten Behördenbahn üblich – dann fahren sie mit dem Auto, sobald sie 18 sind.

Wenn sie aber einen modernen 642er-Triebzug haben (wie DB Regio ihn auf der hier genannten Beispielstrecke tatsächlich einsetzt), dann sieht die Welt anders aus. Die Bundesbahn hat also nicht nur im ihrer Streckenschließungspolitik einen immensen Schaden angerichtet, sondern auch mit ihrer minderwertigen Qualität: Mehreren Generationen ist dauerhaft die Lust auf Zugfahren vergangen. Die langfristigen Erfolge der Eisenbahnreform zeigen sich erst jetzt – mit solchen Umfragen und bahnaffinen jungen Menschen.

Siehe auch: BEG stellt Zufriedenheitsstudie vor

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