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27.06.16 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Dass Leute an ihren eigenen Laptops während längerer Zugfahrten Serien oder Filme gucken, ist ja nichts neues. Warum auch nicht? Wenn ich weiß, dass ich jetzt eine über vierstündige Fahrt mit dem ICE von Bochum nach Berlin vor mir habe, dann kann ich doch – wenn ich mich nicht gerade über skurrile mitreisende amüsiere – durchaus on demand gucken, worauf ich gerade Lust habe.

Die Medienlandschaft wandelt sich fundamental und die Zeiten, dass der Konsument mit dem Vorlieb nehmen muss, was einige wenige Programmdirektoren in einer oligopolistischen Senderlandschaft ihm vorsetzen, sind lange vorbei. Ob Netflix, Maxdome, Sky Go oder Amazon Instant Video (hey … wenn man möglichst viele Produkte nennt, ist es keine Schleichwerbung mehr und Zughalt ist weder ARD noch ZDF), jeder kann sein individuelles Programm nach Lust und Laune gucken.

Dass man demnächst auch im Zug auf die Bibliotheken einschlägiger Anbieter zugreifen kann ist dabei ein großer Fortschritt und macht die Eisenbahn noch einmal deutlich attraktiver. Zumindest im Fernverkehr braucht man hier das notwendige politische Engagement, um eine vernünftige Netzabdeckung hinzubekommen. Dabei geht es ja nicht nur um Leute, die die Bahnfahrt als Freizeit nutzen, sondern auch um die Möglichkeit, einige Bürotätigkeiten zu erledigen.

Und da geht es schon los: Jeder, der mal im fahrenden Zug versucht hat, ein halbwegs funktionierendes Telefongespräch über das Handy zu führen, kann ein Lied davon singen. Es muss doch wohl möglich sein, für den Mobilfunk anständige Repeater einzubauen. Das ist übrigens etwas, das richtet sich ausdrücklich auch an die Aufgabenträger im Regionalverkehr. Klamme Finanzlage hin oder her, aber wer modernen SPNV anbieten will, der sollte die Investition in Mobilfunkrepeater dringend tätigen.

Okay, wenn ein Zug durchs platte Land fährt, wo es keine Netzabdeckung gibt, ist das nochmal ein anderes Thema. Aber in den meisten Regionen gibt es die und man muss auf Seite der Eisenbahnfahrzeuge die entsprechende Technologie verbauen. Das mit dem Internet im Zug ist so eine Sache. Hier erschien letztes Jahr eine Studie, dass für die Volumenverträge, die deutschlandweit im SPNV notwendig wären, gigantische Kosten entstünden.

Aber das ist ein politisches Problem, dass es hierzulande schon lange gibt. Die Ursache liegt im Jahr 2000, als die UMTS-Lizenzen versteigert wurden. Der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) hatte dadurch einmalig 100 Milliarden Mark in der Tasche und die Kosten dafür zahlen die Endanwender bis heute. Das ist auch der Grund, wieso flächendeckendes Internet in den SPNV-Zügen dauerhaft unfinanzierbar sein wird.

Aber im SPFV ist da etwas mehr Engagement schon notwendig. Gerade auch wenn man bedenkt, was so eine Fahrt im ICE, vielleicht sogar in der ersten Klasse, kostet. So wie es ja auch selbstverständlich ist, dass dort jeden Tag aktuelle Tageszeitungen angeboten werden. Aber in einer digitalen Welt ist das nicht mehr die Zukunft. Tonnenweise Papier für die Nachrichten von gestern? Das ist so 20. Jahrhundert. Wir werden digital und das ist gut so.

Siehe auch: Digitalisierungskonzept vorgestellt

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